Seite - 328 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Bild der Seite - 328 -
Text der Seite - 328 -
Digitale
Datenbanken328
breiten Spektrums verschiedener Formen kultureller Sinnstiftung zu verstehen,
zwischen denen sich in der medialen Praxis vielfältige Mischformen und Über-
gänge beobachten lassen. Diese Vielfalt verschwindet bei Manovich jedoch hinter
der vermeintlichen Einheit der Datenbank einerseits sowie der Erzählung anderer-
seits. Im Unterschied hierzu war es das Ziel des vorliegenden Buchs, die heterogene
Vielgestaltigkeit der Versammlung, Verwaltung, Auswertung und Präsentation von
Informationen in, mit und durch Datenbanken freizulegen. Wie im Zuge der Dis-
kussion der »Techno-Logik« digitaler Informationssammlungen deutlich wurde,
verschiebt sich hierdurch Manovichs These, die Datenbank sei eine symbolische
Form der digitalen Medienkultur, hin zu der Frage nach unterschiedlichen Weisen
der symbolischen Formung in Computerdatenbanken, d.h. nach Mikrologiken der
digitalen Datenhaltung. Diese galt es im Anschluss an die treffende Formulierung
von Konrad Becker und Felix Stalder als Strategien der Herstellung »computer-les-
bare[r] Signifikanz« (2009b: 8) zu analysieren. Als digitale Datenbanken wurden
dabei sämtliche Techniken der Versammlung, Verwaltung und Verfügbarmachung
von Informationen in und mit Computern ins Zentrum der Betrachtungen gerückt.
Durch Datenbanktechnologien im engen und weiten Sinn werden Informations-
sammlungen in einen Bestand transformiert, der durchsucht, ausgewertet und wei-
terverarbeitet werden kann, indem Informationen als Information adressierbar
gemacht werden. Datenbankinformationen wohnt dabei eine gewisse Autonomie
inne, da von ihnen in verschiedenen Anwendungskontexten auf unterschiedliche
Weise Gebrauch gemacht werden kann. Sofern dies ein Kennzeichen der Immateri-
alität ist, die man digitalen Informationen häufig zuschreibt (vgl. Weinberger 2008:
22), konnten in der Auseinandersetzung mit digitalen Speichertechnologien, Daten-
bankmodellen und Verfahren der Speicherung und Abfrage digitaler Informationen
die materiell-technischen Voraussetzungen der vermeintlichen Immaterialität digi-
taler Informationen freigelegt werden.2 Es handelt sich demzufolge nicht um eine
Wesenseigenschaft, sondern um einen Effekt technischer Infrastrukturen, der auf
der Entkopplung der computertechnischen Informationsverwaltung von der Infor-
mationsverarbeitung beruht. Insbesondere die Einführung der Festplatte (1956) als
einer persistenten Speichertechnologie mit wahlfreiem Zugriff stellte in diesem Zu-
sammenhang eine technische Herausforderung dar, die Ende der 1960er Jahre auf
den Begriff der Datenunabhängigkeit gebracht wurde.
Medienhistorisch ist die Entwicklung von digitalen Datenbanktechnologien
aufs Engste mit der Frage bzw. dem Streben nach Datenunabhängigkeit verwoben.
So hat die intensive Auseinandersetzung mit dem Problem die Formulierung der
Drei-Ebenen-Datenbankarchitektur durch die ANSI/X3/SPARC Study Group
on Data Base Management Systems nach sich gezogen, die seither als abstraktes
2 | Die Immaterialität und Virtualität digitaler Information stand vor allem in den
1980er und 90er Jahren im Zentrum des Mediendiskurses. Seit Anfang 2000 wird
demgegenüber vermehrt deren unhintergehbare Materialität betont und damit die
These der Immaterialität infrage gestellt.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242