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341Schluss
Mitte der 2000er Jahre enorm an Repräsentativität und damit auch an Aussagekraft
eingebüßt. Dies wird jedoch nicht von dem Archiv selbst erinnert.
Fetischisierung Des Quantitativen
Auch wenn in Datenbanken keineswegs nur numerische Informationen erfasst
und verwaltet werden können, geht mit dem Aufkommen von digitalen Tech-
nologien der Versammlung und Verwaltung von Informationen eine Tendenz zur
Quantifizierung einher, die in einer problematischen Fetischisierung des Quanti-
tativen mündet.22 Der Deutungsanspruch quantitativer Erhebungs- und Auswer-
tungsverfahren dringt zunehmend in alle Bereiche unseres gesellschaftlichen und
sozialen Lebens vor. Zählbarkeit und quantitative Auswertbarkeit werden zum
Maßstab des Wissens, wobei quantitative Informationen nicht zuletzt auch die
Grundlage für Entscheidungen bilden und handlungsleitend werden. Die sich im
Rahmen der Digital Humanities etablierenden Formen der quantitativen Kul-
turanalyse sowie der Hype um Formen des Datenjournalismus und Information
Visualization sind Beispiele hierfür.23 Wie die im Kapitel »Phänomeno-Logik« dis-
kutierten Beispiele der Epidemiefrüherkennung und der Terrorprävention zeigen,
handelt es sich nicht nur um ein Wissen, das sich auf unsere Vergangenheit richtet,
sondern in erheblichem Maße auch auf die Zukunft, die durch quantitative Echt-
zeitanalysen der Gegenwart kontrollier- und gestaltbar werden soll.
Gegen die Verabsolutierung von Messbarkeit und Quantifizierbarkeit wendet
Martin Seel ein: »Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt; sie ist die messbare
Seite der Welt« (Seel 2009: 63). Seines Erachtens mag sich zwar alles in quantitativen
Zusammenhängen erfassen und beschreiben lassen, doch sei dies oftmals nicht
hinreichend. Wie Seel exemplarisch ausführt, kann es nützlich sein, die Maße einer
Wohnung zu kennen, jedoch vermag dieses quantitative Wissen eine Besichtigung
nicht zu ersetzen: »Alles Erscheinen mag auf messbaren Verhältnissen beruhen, so-
viel wir wollen, doch es erfüllt sich nicht in ihnen, sondern darin, wie es für wahr-
nehmende Wesen mit einer bestimmten sinnlichen Ausstattung – ist« (Seel 2009:
64). Dass Seel vehement auf den Grenzen insistiert, die der quantitativen Erfassung
der Welt gesetzt sind, kann als ein erstes, wenngleich schwaches Indiz für die
diagnostizierte Fetischisierung des Quantitativen betrachtet werden.
Jedoch ist die Privilegierung des Mess-, Zähl- und Berechenbaren weder
eine neue Entwicklung noch ist sie spezifisch für die digitale Medienkultur.
So konstatierte Edmund Husserl beispielsweise in Die Krisis der europäischen
22 | Zum Spannungsverhältnis zwischen quantitativen und qualitativen Analyseme-
thoden im Bereich digitaler Datenbanken siehe auch Katherine Hayles Diskussion des
Einsatzes von Geoinformationssystemen in den Geistes- und Kulturwissenschaften
(vgl. 2012: 196).
23 | Siehe hierzu S. 307ff.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242