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Digitale
Datenbanken344
Nutzungsdaten die Differenz zwischen dem Sozialen, Ökonomischen und Psycho-
logischen zusammenbricht, wie Latour behauptet: »As soon as I purchase on the
web, I erase the difference between the social, the economic and the psychological,
just because of the range of traces I leave behind« (Latour 2007a). Auch ist die Be-
hauptung zu hinterfragen, dass die menschliche Imagination quantifizierbare
Spuren in digitalen Datenbanken hinterlässt, wie der Titel nahelegt, unter dem La-
tour den Text aus dem Jahr 2007 auf seiner Webseite veröffentlicht hat: Beware, your
imagination leaves digital traces.28 Die Verweildauer auf einer Webseite oder der
Kauf eines Buchs sind jedoch keineswegs Spuren unserer Imaginationen, sondern
Spuren von Handlungen, die als Indizien unserer Vorstellungen, Wünsche und
Hoffnungen interpretiert werden können.
Es ist verwunderlich, dass dem wissenschaftshistorisch geschulten Blick La-
tours dieser Unterschied entgeht, der im Zuge der sich derzeit vollziehenden
Quantifizierung des Sozialen auf problematische Weise unterlaufen wird. Erfunden
werden immer neue Metriken, um den Einfluss von Personen, die Wichtigkeit
von Themen, die Relevanz von Webseiten oder die Performanz von Kampagnen
zu messen.29 So bewertet die 2009 gegründete Firma Klout den Einfluss von Per-
sonen auf der Grundlage von Daten von Twitter, Facebook, Google+, LinkedIn etc.30
Einer Person wird dabei ein Wert zwischen 1 und 100 gegeben, welche deren Klout
Score bildet. Je höher dieser Wert ist, desto mehr Einfluss, Autorität und Macht hat
eine Person nach Ansicht von Klout. Aber was bedeutet dabei Einfluss? Klout gibt
hierauf eine konzise Antwort: »Influence is the ability to drive action. When you
share something on social media or in real life and people respond, that’s influence.
The more influential you are, the higher your Klout Score« (Klout).31 Autorität be-
misst sich demzufolge daran, wie intensiv eigene Nachrichten, Bilder und sonstige
Inhalte auf Facebook, Twitter, Instagram etc. von anderen Nutzern geliked (oder
favorisiert), diskutiert und geteilt (oder retweeted) werden.32 Dieser Logik folgend
28 | Der Text wird zumeist unter dem Titel zitiert, den Latour auf seiner Webseite
angibt, www.bruno-latour.fr/node/245 (zuletzt aufgerufen am 13.08.2013).
29 | Hierzu zählt unter anderem die Relevanzgewichtung von Webseiten anhand
der Linktopologie des Web und anderer Faktoren, die im Kapitel »Techno-Logik«
(S. 260ff.) diskutiert wurde. Ein weiteres Beispiel ist der EdgeRank, auf dessen
Grundlage Nachrichten im Nachrichtenfeed von Facebook angezeigt werden.
30 | Eine Reihe konkurrierender Metriken versprechen, etwas Ähnliches zu messen,
wie zum Beispiel der PeerIndex (www.peerindex.com/) oder das Kred Influence Mea-
surement (kred.com/).
31 | Nach eigenen Angaben von Klout werden derzeit bis zu 400 Signale heran-
gezogen, um den Klout Score zu kalkulieren (vgl. Klout).
32 | Eine häufig in der Blogosphäre geäußerte Kritik am Klout Score richtet
sich gegen die Weise der Berechnung dieser Kennzahl. Infrage gestellt wird die
Gewichtung unterschiedlicher Faktoren, wie z.B. der Zahl von Tweets und anderer
Online-Aktivitäten (vgl. Braunstein 2011; Gillin 2011).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242