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Jugendlichen, indem sie dazu anregen, Verbindungen zwischen unterschiedlichen
Bereichen zu knüpfen und Technologien als anpassbare Werkzeuge zu verstehen.
Identität als Projekt
Die Individualisierung ist ein Kernthema der Soziologie, sowohl hinsichtlich der Theo-
riebildung als auch im Sinne einer Gesellschaftsdiagnose. Im Kern bezeichnet der
Begriff den Übergang einer Gesellschaft von Fremdbestimmung zu einer zunehmend
individuellen und selbstbestimmten Lebensführung ihrer Mitglieder. So sehr die
Bedeutung dieses Begriffs zunächst eine positive Konnotation zu haben scheint, klaf-
fen die Meinungen zu den Auswirkungen doch sehr auseinander (Schroer 2008).
Während positive Auslegungen eher eine Befreiung des Individuums damit verbin-
den, beschreiben negative Interpretationen eine zunehmende Entwurzelung und
Orientierungslosigkeit innerhalb einer Gesellschaft. Andere Meinungen hingegen
sind ambivalent und erkennen sowohl befreiende als auch riskante Elemente zuneh-
mender Individualisierung.
Zu den ambivalenten Meinungen zählen die von Ulrich Beck und Anthony Giddens,
die sich beide mit den Übergängen von traditionellen zu modernen Gesellschaftsfor-
men beschäftigt haben. Ulrich Beck (1986) geht davon aus, dass sich in der west-
deutschen Nachkriegsgesellschaft ein Individualisierungsschub vollzogen hat, der vor
allem auf drei Entwicklungen zurückzuführen ist. Erstens ging es den Menschen
finanziell immer besser; Ungleichheit wurde zwar nicht aufgehoben, aber alle konn-
ten sich stetig etwas mehr leisten. Zweitens haben sich die allgemeinen Arbeitszeiten
deutlich verkürzt, sodass auch vollerwerbstätige Menschen die Möglichkeit erhielten,
ihre Freizeit selbst zu gestalten; sie konnten sich Hobbys zulegen, politisch engagie-
ren oder sich weiterbilden. Drittens hat sich das Bildungsniveau erhöht, was sich an
einer wachsenden Zahl von Abiturienten und Studierenden eines Jahrgangs zeigte.
Dies hatte zur Folge, dass immer mehr Menschen zumindest die Chance erhielten,
beruflich und sozial aufzusteigen, und dass sie die Zeit und Fähigkeit hatten, sich
über die eigene Lebensführung Gedanken zu machen. Mit diesen positiven Entwick-
lungen entstehen jedoch als Kehrseite neue Zwänge. Über Arbeitsmarkt, Wohlfahrts-
staat und Bürokratie wird jeder Bürger in Netze von Regelungen, Maßgaben und
Anforderungen eingebunden, die er oder sie erfüllen muss, um das zu führen, was
als „eigenständiges Leben“ gilt.
Anthony Giddens (1991) arbeitet heraus, wie Identitäten in einer modernen Gesell-
schaft entstehen. Im Gegensatz zu traditionellen Gesellschaftsformen, deren Mitglie-
der in eine scheinbar unumstößliche Struktur von Stand und Klasse hineingeboren
wurden, müssen Mitglieder einer post-traditionellen Gesellschaft ihre Rollen erst fin-
den und sich ihre Identität erarbeiten. Die eigene Identität wird auf diese Weise zu
einem Problem, dem sich jeder in seinem alltäglichen Handeln stellen muss. Was Gid-
Digitale Souveränität
Bürger | Unternehmen | Staat
- Titel
- Digitale Souveränität
- Untertitel
- Bürger | Unternehmen | Staat
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-55796-9
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 196
- Schlagwörter
- Digitales Lernen, Datenaufbereitung, Industrie 4.0, Breitbandausbau, Echtzeitvernetzung, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt, Gesellschaftlicher Wandel, Digitale Geschäftsmodelle, Arbeitswelt 4.0
- Kategorie
- Medien