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iit-Themenband – Digitale Souveränität 51
dens Argumentation auszeichnet ist, dass Identitäten stets in wechselseitiger Bedingt-
heit von kleinteiligen Handlungen und gesellschaftlichen Strukturen entstehen.
In heutigen Gesellschaften wird auf diese Weise die persönliche Identität zu einem
reflexiven Projekt, so Giddens, an dem wir kontinuierlich arbeiten und welches wir in
Beziehung zu unserem lebensweltlichen Kontext stetig reflektieren. Identität ist nicht
länger ein stabiles Set sozialer Merkmale, sondern die persönliche Auslegung der
eigenen Biografie, in der Kontinuität ein aktiv hergestelltes Konstrukt ist. Gesellschaft-
liche Individualisierung ist ein Trend, der durch eine immanente Ambivalenz geprägt
ist: Mit der Freiheit der Selbstentfaltung kommt die Angst vor Bindungslosigkeit.
Individualisierung und Digitalisierung
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft erscheint
die Digitalisierung von Kommunikationsformen ebenso als Wandel struktureller
Bedingungen und Möglichkeiten, Identitäten zu entfalten, wie auch als Resultat sozi-
aler Muster, die sich bereits vor der flächendeckenden Einführung des Internets
abzeichneten. Es erscheint wenig plausibel zu behaupten, digitale soziale Netzwerke
seien einer bis dato rigiden sozialen Identitätsbildung übergestülpt worden. Schließ-
lich entstanden Muster wie die subjektive Konstruktion der eigenen Biografie bereits
vor Facebook und Co., spiegeln sich aber gleichzeitig in ihren sozialen Auswirkun-
gen. Diese Perspektive legt die Metapher des Katalysators nahe: Digitale soziale
Netzwerke können soziale Prozesse beschleunigen. Sie ist aber trügerisch, da sie
suggeriert, die Digitalisierung würde die kleinste Einheit des Sozialen, den einzelnen
Menschen, unverändert lassen.
Individualisierung und Digitalisierung stehen in einem sich verstärkenden Verhältnis,
wenn digitale Medien und Technologien Diversität fördern beziehungsweise diese
sichtbar machen. Inwiefern der Umgang mit Technologie Formen der Selbstreflexion
auslösen kann, erforschte Sherry Turkle bereits in der Frühphase des Internets (vgl.
Turkle 1995). Sie stellte fest, dass der Interaktionsmodus eines grafischen Interfaces
Nutzer zum „basteln“ ermutigt, in dem virtuelle Gegenstände parallel dargestellt,
verschoben und manipuliert werden können, ohne sie als Einheit zu verändern – dies
war ein grundsätzlich anderer Modus der Mensch-Technik-Interaktion als er etwa in
der linearen Kommunikation mittels des Microsoft-Betriebssystems DOS verwirklicht
wurde.
Während Turkle (1995) bereits die Art der Mensch-Technik-Interaktion auf das Ent-
stehen von Identität bezog, tritt heutzutage die Öffentlichkeit der Vernetzung durch
digitale Medien in den Vordergrund der Individualisierung. Der zentrale Punkt für die
positive Beziehung zwischen Digitalisierung und Individualisierung bleibt jedoch, wie
schon bei Turkle, die Gleichzeitigkeit von Vielfalt und Integration. Soziale Netzwerke
Digitale Souveränität
Bürger | Unternehmen | Staat
- Titel
- Digitale Souveränität
- Untertitel
- Bürger | Unternehmen | Staat
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-55796-9
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 196
- Schlagwörter
- Digitales Lernen, Datenaufbereitung, Industrie 4.0, Breitbandausbau, Echtzeitvernetzung, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt, Gesellschaftlicher Wandel, Digitale Geschäftsmodelle, Arbeitswelt 4.0
- Kategorie
- Medien