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wie Twitter oder Facebook ermöglichen, dass Nutzer Verbindungen herstellen, die
durch ihre öffentliche Sichtbarkeit zu symbolischen Markierungen der eigenen Per-
sönlichkeit werden. Twitter-Hashtags, Facebook-Likes oder Instagram-Herzchen sind
niederschwellige Instrumente, um kulturelle und soziale Referenzen aufzubauen, die
in ihrer Komposition eine gewünschte Identität repräsentieren.
Bei der Nutzung von Facebook stehen Verbindungen zu sozialen Kontakten, wie
Freunde und Familie, im Vordergrund und damit einhergehend die öffentliche Dar-
stellung privater Inhalte, wie Fotos von Gruppen und Ereignissen, die durch ihr Hoch-
laden, Verlinken und Liken an vermeintlicher Relevanz gewinnen. Twitter folgt einem
anderen Modus, indem Hashtags flexible Kategorien ermöglichen, unter denen sich
Meinungen vereinen. Dies ermöglicht, Themen mit einheitlichen Labels zu versehen,
ohne dass ein Zusammenhang vorab gegeben sein muss. Soziale Netzwerke sind in
unterschiedlicher Weise Instrumente zur Identitätsarbeit, indem sie vielfältige soziale
Referenzen verbinden und diese gleichzeitig durch eine Verstetigung von Kategorien
integrieren. Wesentlich ist nicht so sehr die steigende Anzahl von Kategorien, son-
dern vielmehr das „Basteln“ der Identität und das aktive Erzeugen vermeintlicher
Kontinuität.
Die Ambivalenz dieses Prozesses wird am Beispiel des arabischen Frühlings deut-
lich. Während der Proteste in Frühjahr 2011 stieg die Twitter- und Facebook-Nut-
zung in der arabischen Region signifikant (vgl. Huang 2011), was die Vielfalt poli-
tischer und kultureller Identitäten in der Region sichtbar machte. Die Mobilisierung
der Bevölkerung auf diesem Weg war sehr erfolgreich, und sie stärkte in der Viel-
falt auch die Verbindung der Menschen untereinander. Der aktuelle Rückfall der
Region in alte, autoritäre Strukturen nährt den Zweifel, dass die Meinungsführer
der Proteste nie über einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung verfügten und dass
durch soziale Medien lediglich die Illusion einer Mehrheit erzeugt wurde (vgl. Ler-
man et al. 2016).
Das Beispiel verdeutlicht, dass der Zusammenhang von Digitalisierung und Individu-
alisierung der Gesellschaft weitreichende Auswirkungen haben kann. Aber vor wel-
che Herausforderungen stellt die digitale Identitätsarbeit den Einzelnen? Während
Turkle in den 1990er Jahren neue digitale Technologien als Reflexionstechnologien
betrachtete, wuchs in den 2010er Jahren, als Smartphones und soziale Netzwerke
zum allgegenwärtigen Phänomen wurden, die Skepsis gegenüber der Individualisie-
rung durch digitale Medien (vgl. Turkle 2011). Turkle beschäftigt sich nun insbeson-
dere mit den Auswirkungen von sozialen Netzwerken wie Facebook auf die Identi-
tätsbildung von Teenagern sowie ihrer Eltern, die ständige Vernetzung vorleben.
Im Gegensatz zu den in den 1990er Jahren eher avantgardistischen Technologien
erzeugen soziale Netzwerke keine reflektierende Distanz zwischen dem Selbst und
seinem digitalen Avatar. Vielmehr stehen Teenager unter dem Druck, sich selbst zu
Digitale Souveränität
Bürger | Unternehmen | Staat
- Titel
- Digitale Souveränität
- Untertitel
- Bürger | Unternehmen | Staat
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-55796-9
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 196
- Schlagwörter
- Digitales Lernen, Datenaufbereitung, Industrie 4.0, Breitbandausbau, Echtzeitvernetzung, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt, Gesellschaftlicher Wandel, Digitale Geschäftsmodelle, Arbeitswelt 4.0
- Kategorie
- Medien