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nachvollziehbar. Die detaillierten Aufzeichnungen ermöglichen dem Management
die Erstellung individualisierter Leistungsprofile und einen systematischen Vergleich
des Arbeitsverhaltens der Beschäftigten, auch wenn das Unternehmen angibt, in
Übereinstimmung mit den deutschen Datenschutzregeln keine personenbezogene
Auswertung der Bewegungsdaten vorzunehmen. Aber nicht nur in Logistik- oder
Produktionshallen halten Systeme Einzug, die mittels Big Data und kontrollrelevanter
Softwareanwendungen „individualisierte Evaluationssysteme neuer Qualität“ schaf-
fen (Staab und Nachtwey 2016, S. 28). Bereits heute findet man sie auch in den
Büros, wo das Nutzerverhalten an stationären und mobilen Endgeräten umfassend
dokumentiert und ausgewertet werden kann. Beispielsweise ist Monitoring-Software
wie mSpy oder Orvell Monitoring in der Lage, sämtliche Aktivitäten an Desktops und
Smartphones aufzuzeichnen. Am unternehmensinternen Arbeitsplatz zählen dazu
Screenshots, Tastatureingaben, Dauer von Aktivitäten bzw. Inaktivität, zum Einsatz
gekommene Programme und Anwendungen sowie der Internetverlauf. Bei mobilen
Endgeräten lassen sich zusätzlich die GPS-Daten und Anrufstatistiken des Nutzers
auswerten (Krause 2017).
Derartige Kontrolltechnologien verstärken den Druck auf die Bemessung und Stan-
dardisierung von Arbeitsschritten der Kopfarbeit, wie es in der Vergangenheit nur für
Fließbandarbeit üblich war. Das kann dann bedeuten: „10 Minuten im Schnitt für
eine E-Mail, 30 Minuten für ein Rechnungsformular, ein halber Tag, um einen Soft-
ware-Fehler zu beseitigen.“ (Böhme 2017) Einerseits verlieren hochqualifizierte
Beschäftigte durch derartige Kontrollprozesse Privilegien, insbesondere in den Berei-
chen Flexibilität und Autonomie, die Positionen auf der mittleren Arbeitsorgani-
sationsebene bisher üblicherweise kennzeichnen. Andererseits erhöht die engma-
schige Überwachung von Arbeitsprozessen die Konkurrenz unter den Beschäftigten:
Fehler können schnell und systematisch aufgedeckt werden. Damit verschärfen Digi-
talisierungsprozesse nicht nur die scheinbar „objektive“ Leistungskontrolle. Im
Bereich der qualifizierten, wissensintensiven Angestelltenarbeit findet vielmehr eine
professionelle Formalisierung statt, die, analog zur Einfacharbeit, zu Intensivierungs-
und Abwertungsprozessen von Arbeit führt (Staab und Nachtwey 2016).
Die Digitalisierung überholt geltendes Recht: Neue Regelungsbedarfe
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) steht dem Betriebsrat ein
Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrich-
tungen zu, wenn diese das Verhalten oder die Leistung von Beschäftigten erfassen
können. Das Mitbestimmungsrecht ist unabhängig davon, ob Arbeitgeber derartige
Verhaltens- und Leistungskontrollen überhaupt durchführen wollen und ob über-
haupt eine „Überwachungsabsicht“ vorliegt. Vielmehr tritt dieses Recht bereits in
Kraft, wenn eine technische Einrichtung personenbezogene Daten erfassen kann
und entsprechende Verhaltens- und Leistungskontrollen ermöglicht. Damit können
Digitale Souveränität
Bürger | Unternehmen | Staat
- Titel
- Digitale Souveränität
- Untertitel
- Bürger | Unternehmen | Staat
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-55796-9
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 196
- Schlagwörter
- Digitales Lernen, Datenaufbereitung, Industrie 4.0, Breitbandausbau, Echtzeitvernetzung, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt, Gesellschaftlicher Wandel, Digitale Geschäftsmodelle, Arbeitswelt 4.0
- Kategorie
- Medien