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106 3 Staat
Big Data und ihre Gefahren
Die Erfassung und Verknüpfung riesiger Datenmengen ist inzwischen nicht nur tech-
nisch möglich, sondern bildet auch einen gewaltigen Markt. Erfasst wird längst nicht
mehr nur das Surfverhalten am heimischen PC oder auf dem Smartphone, sondern
jede Handlung, die digital abgebildet ist. Und mit der fortschreitenden Digitalisierung
aller Lebensbereiche werden immer mehr personenbezogene Daten aus ehemaligen
Offline-Bereichen gesammelt: Über die WLAN-fähige Zahnbürste und den Fitness
Tracker sind das Vitaldaten, über das Payback-Konto die Einkäufe, über Fahrassis-
tenzsysteme Routen und über das Smart Home jede Einstellung im eigenen Heim.
Vollständige Datenverfügbarkeit ist keine Illusion mehr, sondern nur noch eine Frage
der Vernetzung der einzelnen Elemente untereinander – sie vollzieht sich unter dem
Stichwort Internet of Things (IoT). Heute sind mehr personenbezogene Daten erfasst
als jemals zuvor – und es werden täglich mehr, solange bis jede Handlung digital
abgebildet und gespeichert wird und alles mit allem vernetzt ist. Neben Daten, die
das Handeln selbst abbilden, wird auch jede Äußerung in sozialen Netzwerken, Kom-
mentarspalten und Foren, die die Einstellungen und die Emotionen der Nutzer aus-
drückt, erfasst.
Für Statistiker klingt die vollständige Datenverfügbarkeit zunächst einmal wie ein
paradiesischer Zustand. Der Omitted-Variable-Bias – verzerrte Schätzungen aufgrund
nicht-berücksichtigter Variablen – wäre nur noch ein Problem unvollständiger theo-
retischer Modellierungen, eigene Erhebungen wären hinfällig. Doch so einfach ist es
nicht, denn Big Data ist kein öffentliches Gut. Die Nutzer bezahlen alle Annehmlich-
keiten der Digitalisierung mit den Rechten an ihren Daten. Die Kontrolle über Big
Data liegt in kommerziellen Händen. Im Verborgenen wird hier „Data Mining“
betrieben, also das – in der Regel theorielose – Aufspüren von Zusammenhängen zur
Modellierung von Trends und anderen Mustern. Das tatsächliche Verhalten digital
vernetzter Menschen zu erfassen bedarf keines großen Mehraufwands: Bewegungs-
profile, Ernährungsgewohnheiten, Konsumvorlieben, präferierte Freizeitaktivitäten,
sexuelle Orientierungen und vieles mehr werden bei der Nutzung von Apps bereitwil-
lig eins zu eins an die Server privatwirtschaftlicher Unternehmen übermittelt – sofern
die Nutzer, wie üblich, die Nutzungsbedingungen ignorieren.
Doch auch politische und persönliche Einstellungen lassen sich bei ausreichender
Auskunftsfreudigkeit im Internet anhand digitaler Fußspuren und Fingerabdrücke
nahezu perfekt rekonstruieren, unter anderem durch die Verwendung von Senti-
ment-Analysen. Und der dafür notwendige kritische Punkt an bereitgestellten Infor-
mationen ist immer leichter zu erreichen. Denn Big-Data-Auswertungen haben klas-
sischen, statistischen Analysen begrenzter Datenmengen gegenüber einen Vorteil: Je
größer die Fallzahl und die Zahl der miteinander vernetzten Variablen, umso unbe-
deutender wird der Vorhersagefehler von Schätzungen – oder anders formuliert: Je
Digitale Souveränität
Bürger | Unternehmen | Staat
- Titel
- Digitale Souveränität
- Untertitel
- Bürger | Unternehmen | Staat
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-55796-9
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 196
- Schlagwörter
- Digitales Lernen, Datenaufbereitung, Industrie 4.0, Breitbandausbau, Echtzeitvernetzung, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt, Gesellschaftlicher Wandel, Digitale Geschäftsmodelle, Arbeitswelt 4.0
- Kategorie
- Medien