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iit-Themenband – Digitale Souveränität 109
mobilisieren, die in den Prognosemodellen nur gering gewichtet waren. Gleichzeitig
haben die erfassten Wähler zu einem größeren Anteil als üblich eine falsche Wahlab-
sicht angegeben – hier dürfte das Phänomen der sozialen Erwünschtheit gewirkt
haben: Auch Trumps Wählern wird nicht entgangen sein, dass seine Wahlkampfaus-
sagen unverhohlen so ziemlich jede Minderheit diskriminierten, und nicht jeder von
ihnen wird seine Zustimmung zu diesen Aussagen gegenüber Forschenden zugeben
wollen. Darüber hinaus leidet die Zuverlässigkeit von Meinungsumfragen unter dem
generellen Trend, dass viele nicht mehr bereit sind, an ihnen teilzunehmen, sowie
unter dem speziellen Problem der geringeren Erreichbarkeit von potenziellen Teilneh-
menden. Immer weniger Menschen nutzen einen Festnetzanschluss, der bislang als
Standard galt, um telefonisch in Verbindung zu treten. Und schließlich ist es eine
immer komplexer werdende Welt selbst, die sich nicht mehr so leicht erfassen lässt,
wie es vielleicht einmal möglich war. Mit dem fortschreitendem Zerfall traditioneller
Strukturen der Vergemeinschaftung, der stetigen Auflösung typischer Berufslaufbah-
nen und der zunehmenden Vervielfältigung gesellschaftlicher Zuschreibungsmuster,
die die Individualisierung in modernen Gesellschaften produziert hat, geht ein Identi-
fikationsverlust Einzelner einher. Für sie bleiben immer weniger gesellschaftliche
Gruppen als Anker für eine Zugehörigkeit. Gemeinschaftsformen wie die Großfamilie
schwinden, feste Berufslaufbahnen sind so stark flexibilisiert und kollektive Identität
stiftende Schichtzugehörigkeiten haben sich nach so vielen Merkmalen ausdifferen-
ziert, dass auch innerhalb der von Meinungsforschern definierten Gruppen inzwi-
schen häufig mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten hinsichtlich Lebenslagen und
Lebensstilen existieren. Die statistisch konstruierten Schubladen sind zu groß, um
erfassen zu können, welche Vielfalt in ihnen herrscht (vgl. Davies 2017)4.
Was die Meinungsumfragen hat ins Leere laufen lassen, ist also nichts anderes als das
grundsätzliche und altbekannte Problem des statistischen Inferenzfehlers: „Zufalls-
stichproben bleiben im Kern eine Krücke. Ihnen fehlt die Detaildichte, um das
zugrunde liegende Phänomen umfassend abzubilden“ (Mayer-Schönberger 2015, S.
15). Je ungenauer die behandelte Stichprobe die Gesamtheit repräsentiert, umso
unwahrscheinlicher ist es, dass die Verallgemeinerung der Analyseergebnisse den
tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Und je komplexer das zu erfassende Phäno-
men ist, desto schwieriger gestaltet sich eine zufriedenstellende Stichprobenauswahl.
Während Wissenschaftler sich weiterhin an ihre Krücke klammern, sind Big-Data-
Analysten dabei, alleine laufen zu lernen. Für sie definiert vor allem die technische
4 „Traditional forms of statistical classification and definition are coming under strain from
more fluid identities, attitudes and economic pathways. Efforts to represent demographic,
social and economic changes in terms of simple, well-recognised indicators are losing
legitimacy.“ (Davies 2017)
Digitale Souveränität
Bürger | Unternehmen | Staat
- Titel
- Digitale Souveränität
- Untertitel
- Bürger | Unternehmen | Staat
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-55796-9
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 196
- Schlagwörter
- Digitales Lernen, Datenaufbereitung, Industrie 4.0, Breitbandausbau, Echtzeitvernetzung, Wertschöpfung und Arbeitsmarkt, Gesellschaftlicher Wandel, Digitale Geschäftsmodelle, Arbeitswelt 4.0
- Kategorie
- Medien