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Lösch, 18. Dezember 1883
Man spricht so oft von Chlumeckýs so ungewöhnlichem Agitationstalent,
welchem die Wahlerfolge des liberalen Gr[oß]grundbesitzes zugeschrieben
werden.
Nun, rührig und intrigant ist er wohl, man vergisst jedoch, dass ihm alle
Mittel und Wege Recht sind, dass das mobile Kapital seine Partei diszip-
liniert und herrscht und er an allen Juden und der Bürokratie willfährige
Gehilfen, Werkzeuge und Agitatoren hat.
Lösch, 21. Dezember 1883
Heute langte das November- und Dezemberheft von Bar[on] Vogelsangs
Monatsschrift etc. an. Es bringt die Daten über unsere Schreckenszustände
in den Arbeiterklassen. Mich reut das auf ihre Sammlung verwendete Geld
wahrlich nicht. Gibt Gott noch die Zeit zur Besserung derselben, so ist da-
durch ein mächtiger Anstoß gegeben und ich habe einen Teil daran.
Was sind das aber für Regierungen, Polizei und Gewerbebehörden, unter
welchen sich diese Schrecknisse und Gefahren ausbilden können?
Lösch, 22. Dezember 1883
Als ich mich in den Gewerbeausschuss wählen ließ, hatte niemand eine Ah-
nung davon, was ich könne und dort wolle.
Ja, hätte man eine solche gehabt, so hätte ich Grund zu glauben, unsre
konservativen „Führer“ wären eher gegen meine Wahl gewesen.
An der jetzigen Sozialreform-Bewegung sind sie total unschuldig. Der Ge-
danke, sie zu politischen Zwecken hervorzurufen oder zu benutzen, lag ihnen
bis heute fern. Auch jetzt würden sie vielleicht Geschehenes am liebsten un-
geschehen machen, wenn sie es könnten!
Auch mich haben zu allem, was ich getan, wenn überhaupt, gewiss zu al-
lerletzt politische Zwecke veranlasst.
Ich habe mit der Welt abgeschlossen, verzichte auf Macht, Titel und
Ehre, traue mir nicht die Fähigkeit zu und bin zu alt, um Minister sein zu
können. Ich habe – weil es kein anderer tat – die schwere Arbeitslast und
Verantwortlichkeit des Bahnbrechers übernommen, um als Christ Leiden-
den zu helfen, als Edelmann den Schwachen zu schützen, als Patriot große
Gefahren von Volk und Land fernzuhalten, und als Buße, um von Gott ein
gnädiges Gericht und das Wiedersehen mit meiner sel[igen] Christl zu er-
langen.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Title
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Authors
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Editor
- Jiří Malíř
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 1144
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115