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verfolgen lassen. Schon im XI. Jahrhunderte hieß ein Theil des Marchfeldes Ganserfeld
und in einem anderen Theile deutet heute noch der Ortsname Gänserndorf (vor Zeiten
Gänfetreiberdorf) auf eine ausgiebige Pflege der Gänsezucht zurück. Wenn dabei erwogen
wird, daß die Donau-Auen im Marchfelde von jeher, wie heute, alljährlich eine gesuchte
Station für die Wildgänse waren, so mag immerhin das Marchfeld als eine jener Stellen
zu gelten haben, wo man anfing, die Wildgänse zu zähmen und zu züchten.
In ähnlicher Weise verräth ein alter, heute verstümmelter Ortsname im Marchfelde
die Pflege der Pferdezucht zu jener Zeit. Das Dorf Stopfenreit im südöstlichen Theile
nahe der Mündung der March in die Donau hieß im XI. Jahrhunderte Stutenpferch, das
heißt Gestüte, und den gleichen Namen hatte ein Ort im nördlichen Theile des March-
feldes, der später wahrscheinlich durch Überschwemmung zu Grunde ging. Das sind nun
Merkwürdigkeiten, die neben ihrem geschichtlichen Werthe den Bewohnern im Allgemeinen
zugute kommen.
Es ist aber noch eine Merkwürdigkeit zu verzeichnen, und zwar die größte, die das
Marchfeld vor allen anderen Gegenden des Landes voraus hat, von der man das Obige
nicht sagen kann. Der Krieg an sich ist ein schreckliches Übel und dessen Abwendung wohl
des höchsten Preises werth. Nirgend aber werden seine Schrecken furchtbarer als dort, wo
die kämpfenden Mächte aneinanderprallen und in vernichtendem Getümmel um den Sieges-
preis ringen. Es ist ein Ruhm, wenn auch kein neidenswerther, für unser Marchfeld, daß
auf seinem Boden wie nirgend anderswo in einem gleich beschränkten Raume so viele
entscheidende Schlachten geschlagen wurden. Die vorgeschichtlichen Zeiten bleiben hier
unberührt, wiewohl es auch für diese an Andeutungen nicht fehlt, daß die blutige
Entscheidung wichtiger Völkerfragen häufig im Marchfelde geholt wurde, sowie die Gewiß-
heit nahe liegt, im Marchfelde seien die römischen Legionen von den Ouadeu vernichtet
worden, ehe diese an die Zerstörung von Carnuutum schritten (375). Die germanischen
Ouadeu waren die Herren nicht nur des Marchfeldes, sondern auch des ganzen Landes
links der Donau.
Von den Zeiten aber, wo Österreich schon ein wichtiges Glied einer größeren
Ländergruppe war, bis in unser Jahrhundert sind namentlich hervorzuheben die Schlacht
bei Groißeubrunn (12. Juli 1260), in welcher König Ottokar von Böhmen gegen den
König Bela von Ungarn die Steiermark zurückgewann; die Schlacht am Weidenbache
(26. August 1278), wo derselbe König Ottokar gegen Rudolf von Habsburg Sieg und
Leben verlor; die Schlacht bei Asparn (21. und 22. Mai 1809), wo Österreich, auf sich
selbst gestellt, der Gewaltherrschaft Napoleons den ersten empfindlichen Schlag versetzte;
und die Schlacht bei Wagram (4. und 5. Juli 1809), wo das österreichische Heer mit gleicher
Tapferkeit, aber mit abgewendetem Glücke demselben Gewaltherrscher gegenüber stand.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317