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erfreuliche Klang des helle» Standlautes an unser Ohr dringt, — nun heißt es eiligst
folgen. Mit der Schwere des Körpers stößt, wälzt und drängt man sich durch, endlich
schimmert eine Lichtuug entgegen. — In einer breiten Wasserlacke halb von Schilf verdeckt
steht schwer und krank, auf den sehnigen Läufen sich mühsam haltend, der Hirsch, mit den
von abgerissenen Schlingpflanzen dicht umsponnenen Geweihen theilnahmslos den allzu
eifrigen Huud abwehrend. Ein kurzer Büchsenschuß dröhut durch die Au, verendet sinkt der
Recke nieder.
Und was für ein Thier ist es, solch ein fünf Centner schwerer Donauhirsch; der
lange breite Körper, das dicke Genick, der mächtige Brunfthals, der kurze Kopf mit der
gebogeneu Rammsnase, die stierähnlich geringelten Haare zwischen den Rosen und aus
der Stirne, die hohen weit ausgelegten duukleu Geweihe mit den elfenbeinweißen Enden und
schauselförmigeu Kronen — sie stempeln ihn noch zum UrHirsch, wie er draußen im flachen
Lande und in den Thiergärten seit langer Zeit nicht mehr zu finden ist.
Auch später im Oetober, wenn hoch oben in den Kronen der Bäume die Gewinde
des wilden Weines schon röthlich erglänzen, das Lanb sich verfärbt nnd einzelne Blätter
von den ersten Frösten geknickt zur Erde tänzeln, ist es schön in den Auen. Auf den weiten
Sandbänken stehen dann Tausende von Wildgänsen, ihre Raststation haltend, der erste
kalte Tag treibt sie nach kurzem Aufenthalt an der Donau in südlichere Gegenden.
Und nun zieht der Winter in das Land. Die Wälder auf den Inseln sind ihres
Schmuckes entkleidet, die Dickungen ragen wie trockene Besen empor und der wilde Hopfen
verdorrt braun und dürr am Stamme der Esche; kleinere Wasserarme überzieht eine
Eisfläche, der Sand und die Lehmgründe sind zu harten Tennen gefroren und der Schnee
bedeckt die Erde.
Auf dem Hanptstrom schwimmen mächtige Eisschollen hinab und an den Schotter-
bänken und iu den offenen Wässern treiben sich unzählige Mengen Wasserwildes nmher:
nordische Gäste sind es, rosenroth schillernde Gänsesäger, scheckige Eisenten, große
Taucher und noch mehr verschiedene Arten. Über ihnen schwebt, sie von früh bis Abends
beängstigend, der mächtige gelblich-graue Seeadler, auch ein Wintergast unserer Inseln.
Wenn des Abends die Sonne zwischen kalten röthlichen Nebeln zur Neige geht und
starrer Frost die Erde umspannt, dann kommen die Adler rnhigen Fluges uach anstrengender
Jagd aus allen Theilen des Allgebietes, um Ruhe zu suchen am stillen, einsamen
Gödenwasser, auf den hohen Silberpappeln mit den überhängenden Ästen. Groß sehen sie
aus, die mächtigen Vögel, wenn sie da aufrecht stehen zwischen den dürren Zweigen.
Manchmal gestaltet sich der Winter verhängnißvoll für die Haufen. Kommt Hochwasser,
plötzlich deu Eisstoß wegdrängend, dann schieben sich die Eismassen hinein in den
Schönauer Arm, die Fluten treten ans nnd Eisberge schwimmen in den Wäldern
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317