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den grünenden Bäumen zu beten, und zwar stellen sich dabei die Mannspersonen unter
einen Apfelbaum, die Weibspersonen unter einen Birnbaum. Das Antlitz wenden alle der
Sonne zu, welche heute vor Freude über die glorreiche Auferstehung des Herrn beim
Aufsteigen über den Horizont dreimal „aufhüpft", drei „Hupferl" macht. (Dieser schöne
Brauch, sowie die religiös und poetisch erhabene Anschauung — vielfach im deutschen
Volke überhaupt heimisch — findet sich in allen Theilen Niederösterreichs, doch lange nicht
allerorts.) Der mythische Glaube an die Sonnensprünge erscheint hier christlich umgedeutet.
Im V. O. M. B. geht der Bauer am Ostertage vor Sonnenaufgang aufs Feld, pflückt
junge Sprossen vom Getreide und betet dabei um
das Gedeihen der Feldfrucht und seines Viehstandes.
Zu Hause besprengt er das „Grüne" mit Weihwasser
und gibt es den Rindern. (Hoheneich und an anderen
Orten.) Man setzt eine Ehre darein, an einem so hohen
Festtage der Erste aus den Federn zu sein, und schimpft
oder neckt denjenigen, der am Ostertage zuletzt aufsteht,
mit dem Namen „Osterbloch". Der sonst mit dem
Worte „Bloch" verbundene Begriff des Schwerfälli-
gen, Unbehilflichen, erklärt den Ausdruck hinlänglich.
Am Wechsel hängt man am Ostertage vor Sonnenauf-
gang das zu weihende Fleisch aus einen hohen Baum
im Hausgarten, weil der „römisch' Papst" mit seinem
Segen das Fleisch weiht für die ganze Welt. Die
kirchliche Ceremonie der Fleischweihe wird im
Zusammenhang mit dem Hauptgottesdienste vorge-
nommen. Das erste Fleisch, welches am Ostersonntag genossen wird, soll Weihfleisch sein;
es wird nebst einem Ei und einem Stück Osterstecken an manchen Orten nach dem Gottes-
dienst im Festtagsgewande gegessen oder als erste „Fleischricht" auf den Mittagstisch
gesetzt. In früherer Zeit stand die „Osterschüssel" auf einer Unterlage von „Treid-Saher",
das ist jungen Saatsprossen. (Gsöhl, V. O. M. B.) Zu Ostern machen die Bäcker ihren
Kunden Osterslecken zum Geschenke, die Fleischer geräucherte Zungen oder ein Stück von
einem Lamm. In Gasthäusern setzt man den Stammgästen noch an manchen Orten
Weihfleisch vor („Aufgeschnittenes", nämlich Kalbfleisch, Schinken und Zunge mit
Osterbrod). Ein interessanter Brauch findet sich in Murstetten (V. O. W. W.) Da treibt
man am Ostersonntag die Pferde an sieben Feldrainen vorüber auf einen Kreuzweg und
gibt ihnen eine Handvoll frisches Kornfutter vom Acker. Dies soll ein Mittel gegen die
unter dem landläufigen Namen „Dampf" bekannte Pferdekrankheit sein. (Vielleicht bestand
Die Ratschenbuben.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317