Page - 202 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
Image of the Page - 202 -
Text of the Page - 202 -
202
der Hand des Pfarrers vom nahen Obritzberg. Kaiser Josef II. stellte die Unterhaltung
ein, das Volk aber glaubt, ein Pfarrer des genannten Ortes sei Schuld an dem Verbote
gewesen und zur Strafe dafür sinke die dortige Kirche alle Jahre um eine Treppenstufe
tiefer iu die Erde.
An den Georgitag (24. April) knüpfen sich einige charakteristische Bräuche und
Meinungen. Vor Allem verdient das „Örg'n- oder Jörg'n-Schnalzen, Georgi-Schnalzen",
welches am meisten in den an Oberösterreich grenzenden Gegenden noch üblich ist,
Beachtung. Darin gelangt der in unserem Landvolke noch immer lebendige Hexenglaube zu
einem besonderen Ausdruck. Die ledigen Bursche schnalzen während vierzehn Tagen vor
und nach Georgi und an diesem Tage selbst am Abend mit langen Peitschen, — denn so
weit der Peitschenknall dringt, kann keine Hexe einen Feldrain überschreiten.
Ein anderer, wohl sehr alter Brauch ist das „Rainspritzen". Zu Georgi und
Philippi (1. Mai) begeht der Bauer oder die Bäuerin, zuweilen auch ein Knecht oder eine
Dirne, den Rosenkranz betend, die Feldraine und sprengt Weihwasser. Um Neuhofen im
unteren Ibbsthal spricht man dabei: „Alles Böse weich' von bannen — In Jesu und
Mariä Namen". Diese Feldweihe erinnert an die oben besprochene („in d'Groan geh'n")
im V. U. W. W. Im Marchfelde hat man dafür den Ausdruck „lebern gehen". (Das mittel-
hochdeutsche le oder lewer heißt Hügel oder Aufwurf.) Man geht zu den Marksteinen,
gräbt rings um dieselben den Boden auf, daß sie wieder leicht gesehen werden, und wirft
drei Schaufeln voll Erde auf den „Leberhaufen" (Grenzhügel). Landlänfig ist der Glanbe,
daß in der Georginacht vor Sonnenaufgang die Hexen „thaufischen" gehen, das heißt mit
ihrem Fürtuch den Thau („das Taub") von den Wiesen streifen, so daß die Kühe des
Besitzers dann keine Milch geben.
Echt volksthümlich sind auch iu Niederösterreich die Spiele und Belustigungen am
ersten Mai. Man zecht uud singt im Freien, tanzt um deu Maibaum herum, während
kühne Kletterer die vom Wipfel winkenden Preise sich herabholen. Das Orchester wird
häufig durch eine Ziehharmonika ersetzt und selbst der bescheidene „Fotzhobel" (die Mund-
harmonika) genügt dem tanzlustigen Völkchen. In der ersten Mainacht setzen Bursche
angesehenen Ortsbewohnern, noch öfter ihren Schönen, einen Ehren-, mißliebigen Personen,
besonders aber übel beleumundeten Mädchen, einen Spottmaibanm vor das Haus.
Im Marchfelde liegt der flovakische Bursche die ganze Nacht hindurch beim Mai-
baum, auf dessen Wipfel das seidene Tuch flattert, das er als Geschenk für seine Geliebte
heimlich am Abend aufgehißt hat.
An den Maibaum knüpft sich eine schöne Legende. Der heilige Philippus sollte
von den Heiden gemartert werden. Um seinen Aufenthalt leicht wieder finden zu können,
setzten sie einen Baum vor das Haus, in welchem er wohnte. Doch als die Häscher kamen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317