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die Nacht unterhalten werden kann. Außerdem zündet man leere Pechfässer an, schwingt
im Kreise brennende Besen oder hält mit diesen sogar kleine Umzüge. Auf der Donau bieten
die schwimmenden Lichter ein glänzendes Bild. Auch Raketen, Leuchtkugeln und bengalisches
Feuer entzücken an vielen Orten das Auge.
Jus Sonueuwendfener wirft man auch Weihholz, alte Palmbesen und, wie schon
bemerkt, verdorrte Frohnleichnamskränze. Die Sitte, die Feuer au Weg- oder Feldkreuzen
anzuzünden, sowie betend um die Flamme herumzugehen, begegnet uns nicht mehr häufig.
(Im V. O. W. W. einzelne Belege.) Dagegen springen Bnrsche und Mädchen, ungleich seltener
schon Liebespaare, Hand in Hand um die Wette über das Feuer und treiben mancherlei
Kurzweil. An das Sonnenwendfeuer und den Johannistag überhaupt kuüpfeu sich viele
Meinungen, die mit dem wirthschaftlichen Leben im engsten Zusammenhange stehen. Zu
den landläufigsten zählen folgende: springen die Bursche, und noch mehr die Mädchen,
hoch über das Feuer, so wird der Flachs und das Getreide in diesem Jahre lang werden.
(Besonders im V. O. M. B. verbreitet.) Das Letztere kann man auch hoffen, wenn man
am Johannistage vor Sonnenaufgang eine lange Haselruthe ins Feld steckt. Disteln ins
Sonnenwendfeuer geworfen bewirken, daß im nächsten Jahre dieses Unkraut weniger üppig
wuchert. Ein „Grund" (Acker), auf dem kein Sonnenwendfeuer breuut, trauert das ganze
Jahr. (V. O. W. W.) So weit der Schein des Sonnenwendfeuers leuchtet, wird es nicht
hageln. Wer über das Sonnenwendfeuer spriugt, dem wird beim Schneiden (Getreide-
schnitt) der Rücken nicht weh thun. (B. O. W. W.) Spuren, daß das Sonnenwendfeuer
einst unseren heidnischen Vorfahren als ein heiliges, als ein Opferfener gegolten, zeigen
sich deutlich noch in einigen der oben angeführten Bräuche und Meinungen. An manchen
Orten kennt man die Sonnenwendfeuer nur wenig oder gar nicht, so im nördlichen Theile
des V. O. M. B. (auch um Retz uicht, V. U. M. B.), ferner südlich um deu Mauharts-
berg und in den Ebenen im B. U. W. W. und U. M. B. (Steinfeld, Marchfeld.)
Auch am Johannistage kommen Krapfen auf den Tisch (Sonnenwendkrapsen) und
daneben au vielen Orten als Leckerbissen „Holerstrauben" (gebackene Holunderblüten).
Lebkuchen und Meth wird au manchen Orten in den Buden verkauft. Zum Schlüsse ist
noch ein in der Gegend von Krems (zu Steinaweg) üblicher Brauch zu erwähnen. Man
gießt nämlich einige Tropfen von geweihtem Johanniswein in jede Ecke des Ackers zum
Schutze gegen schädliche Raupen und Käfer.
Nach Frohnleichnam tritt in den kirchlichen Festen eine längere Pause ein; umso
mehr stellen während dieser Zeit unter dem Landvolke die wirthschaftlichen Interessen sich
in den Vordergrund. Doch auch diese Zeit strenger Arbeit entbehrt nicht der Freuden; die
Getreideernte, der „Schnitt", gestaltet sich zu einer Art ländlichen Festes, dessen Bedeutung
zunächst ein gar sinnvoller Brauch charakterisirt. Im V. O. und U, M. B. nämlich über-
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317