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In einigen Gegenden, namentlich im Weinlande, wird am Johann i s t ag
(27. December) in der Kirche Wein geweiht. Der Kellerherr gießt davon einige Tropfen
in jedes Faß. Der Johannissegen, das ist der Abschiedstrunk, welchen der Wirth seinen
Gästen vorsetzt, wenn sie sich anschicken den Keller oder das Gasthaus zu verlassen, ist
also als eine Art Weihetrnnk aufzufassen.
Am Unschuldigen Kindertag, das ist am 28.December, darf sich kein Dreschstrvh
auf der Tenne befinden, sonst müssen die unschuldigen Kindlein durch dasselbe wateu.
(V. O. W. W.)
Der 29. und 30. December siud unter dem Namen „Wind- und Wassertag" im
unteren Ibbsthal bekannt. Am ersteren bringt mau der Windsbraut ein Opfer, indem
man Speisetheile auf die Zauupslöcke („Hurdpslöcke") legt; am zweiten wirft der Ober-
bnrsche in den Miihlen von jeder Richt des Mittagsmahles ein Weniges in den Wehrtümpel,
uud zwar fürs Wassermandl. Der Brauch, den Elementen zu opfern, stammt aus der
heidnischen Vorzeit.
Daß am Sylvesterabende die Rauchnachtbräuche, vor allen das Lismeu- und
Losengehen, besonders im Schwünge sind, versteht sich von selbst. Man will ja, wenn schon
nicht die ferne Zukunft, so doch sein Schicksal im nächsten Jahre voraus wissen. Mädchen
hängen gerne einen Riug an einem Haare in ein Glas; so oft er anschlägt, so viele Jahre
wird es noch dauern, bis sie heiraten. Der Landwirth legt in der Neujahrsnacht Ziegel
oder Steine auf die Äste seiner Äpfelbäume, damit die Blüten nicht durch den Blitz
versengt werden. (V. O. W. W.)
Schließlich sei noch einiger Unglückstage im Jahre gedacht, welche auch iu Nieder-
österreich, wie anderwärts, für Geburt, Krankheiten und gewisse Unternehmungen als übel
vorbedeutend gelten.
Solche Tage sind der 1. April, der Geburtstag des Judas Jschariot; der 1. August,
an welchem Lucifer in die Hölle gestoßen worden ist; der 1. December, der Tag des
Unterganges von Sodom und Gvmorrha. Auch der Magdalenatag (22. Juli) ist ein
Unglückstag. An demselben müssen neun Menschen sich erhängen, neun sich ersäufen und
neun sich „derfallen" (zu Tode fallen). Manche rechnen auch den Hngotag unter die
„bösen" Tage.
So sind wir am Schlüsse des Jahres angelangt. Eine Kette oft gar sinnvoller
Bräuche, Sitten und Meinungen schlingt sich um den Kreislauf desselben, und mag anch
der ernüchternde Zeitgeist bereits in vieler Hinsicht seineu Einfluß geübt haben, so treten
doch die charakteristischen Züge unseres Volkes noch überall nachdrücklich genug hervor,
um es als ein deukeudes, gemüthvolles und biederes dem unbefangenen Forscher und
Beobachter erscheinen zu lassen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317