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auf den „Laden" gelegt, der auf zwei Holzschragen ruht, oder auf eine Bank ohne Lehne,
und zwar bahrt man gewöhnlich den Todten nicht mitten im Zimmer, sondern längs
der Wand auf. Ihm zu Häupten stellt man ein Crucifix, ein Öllicht und ein Gefäß mit
Weihwasser sammt einem Ähren- oder Buchsbüschel zum Besprengen des Leichnams.
Dieser liegt da mit gefalteten Händen, welche eine „Bet'n" (ein Rosenkranz) ziert und
zugleich zusammenhält, die Brust ist mit Heiligenbildchen bedeckt, welche Erwachsene wie
Kinder in frommer Liebe spenden, wenn sie den Todten „anschau'u" gehen. Die Leichen
von Jungfrauen sind gewöhnlich weiß gekleidet, das Haupt ist mit einem Kranze von
weißen Rosen, oft aber mit einer hohen Blumenkrone geziert. Der Sterbetag ist ja der
Jungfrau „Ehrentag" (Hochzeitstag).
In den Nächten, während welchen der Todte im Hause liegt, findet das „Leich-
hüten" oder „Nachtwachen" statt. Es wird meist angesichts des Todten abwechselnd
gebetet und gesungen. Ist der erste längere Theil der „Andacht" vorüber, so werden die
Gäste mit Most, Branntwein (in Weingegenden mit Wein), Nüssen und Dörrobst nebst
Hausbrot bewirthet. Auch harmlose Spiele erlaubt man sich zuweilen. Nach der „Jause"
wird wieder gebetet und gesungen. Das Wachen dauert meistens bis über Mitternacht
hinaus. Am Morgen versammeln sich im Trauerhause die durch den „Leichenbitter",
„Leichen"- oder .Couduetansager" geladenen „Freunde", Nachbarn und Göden des
Todten. Sie werden mit einem Frühstück bewirthet, welches in manchen Gegenden (z. B. im
Ötschergebiete) einer kleinen Mahlzeit gleichkommt. Nach demselben werden fünf Vaterunser
für den Verstorbenen gebetet, worauf die Träger den Leichnam im offenen Sarge in das
Vorhaus tragen. Nun folgt die fast in ganz Niederösterreich in gleicher Weise übliche,
echt volksthümliche nnd tief ergreifende Ceremonie des „Abbit tens" oder „Urlaub-
nehmens" des Todten. Der „Vorbeter" oder aber der „Bauerntischler" (gewöhnlich
ein Zimmermann), welcher den Sarg anfertigt, stellt sich neben denselben hin und hält im
Namen des Todten, wenn dieser z. B. der Familienvater ist, folgende Ansprache:
„Gelobt sei Jesus Christus! Hiazt pfiat* eng Alle Gott bei'nander; mnaß eng hennt
verlass'n. Bin oft in d' Kirch'n nach N. ganga und wieder hoam kemma, aber heuut
kimm i neamer z'rnck. So pfiat di Gott, mein liabs Wei'! I dank' da für alle Liab und für
all's Guate, was d' ma iu unserm Eh'stand erwiesen hast, und für alle Geduld, döst (die
du) mit mir g'hat hast. Verzeih' ma, wann i di kränkt hau. Kinder, pfiat eng aa Gott!
Thuats der Munder schön solg'n, vergeßts auf unfern Hergott nit und werds brave Lent'.
Nachbarn, Göd'u uud Freuud'! Thua eng aa tausendmal pfiat'u und bitt' eng um Gotts-
willen schön, thats ma nix verübeln und verzeihts ma, wann i eng beleidigt hau. Weib,
* „Pfiaten" ist entstanden ans „b'hüaten" d. i. behüten.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317