Page - 242 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
Image of the Page - 242 -
Text of the Page - 242 -
242
Meinung, daß der Todte mit den Füßen voran müsse aus dem Hause getragen werden,
denn schaut er zurück, so stirbt bald Jemand aus der Hausgenossenschaft „nach".
Ist das Sterbehaus weit von der Kirche entfernt, so wird der Leichnam auf einem
gewöhnlich von Ochsen gezogenen Wagen zur Kirche „geführt". Der Kutscher darf sich
aber nicht „umschauen", denn damit würde er dem Todten einen Kameraden suchen. Ein
Nachbar fährt die Leiche zur Kirche; um Salapulka (V. O. M. B.) graben zwei Nachbarn
auch das Grab. In manchen Gegenden, wie im Gölfen- und Dbbsthal (V. O. W. W.) gilt
es als höchst anstößig, einen Todten zu Wagen zur Kirche zu bringen. Man trägt lieber
den Sarg auf Stangen weite Strecken Weges. An einigen Orten im V. O, M. B. (z. B.
in Dorfstetten) ist es Sitte, daß, wenn ein Bauer stirbt, jeder Nachbar, über dessen
„Grund" der Leichenzug geht, am Feldraine vor die Bahre hintritt und der Vorbeter ihn
im Namen des Todten um Verzeihung bittet, falls sie sich etwa nicht gut vertragen und
namentlich Grenzstreitigkeiten miteinander gehabt hätten. Die Leiche eines Verheirateten
wird von Männern, jene eines Ledigen von Jünglingen, die Mädchenleiche von Mädchen
zu Grabe getragen; der letztere Brauch ist nur in den oberen Theilen des V. O. W. W.
ganz unbekannt. Hier trägt auch die Kindsleiche, gleichviel ob männlich oder weiblich, ein
Bursche oder ein Schulknabe auf den Armen, wobei ihm ein Tragband die Last erleichtert.
An vielen Orten wird dem Sarge in einer Laterne das an der Leichenlampe angezündete
„Todteu-Wachslicht" vorgetragen.
Das Todtenmähl besteht entweder nur aus Brod, mit Salz (auch Kümmel)
bestreut, uud Wein, daher auch „Todteutruuk" (V.O.M.B.), „Leicheutruuk" (am Wechsel)
genannt, oder es kommt einer eigentlichen reichlicheren Mahlzeit gleich und heißt „Todteu-
zehrnng" oder „Leichenschmaus". Nach demselben (im Ibbsthal sogar einmal während
desselben) wird für den Verstorbenen gebetet.
Das Landvolk charakterisirt sich in seinen Leichengebräuchen den Städtern gegenüber
auffällig dadurch, daß es alles Gepränge meidet und dafür möglichst viel der Seele des
Dahingeschiedenen zugute kommeu läßt. Darum wird z. B. kein Luxus mit Kränzen oder
in Ausstattung der Grabmonumente getrieben; das einfache Holzkreuz genügt noch fast
überall. Nur mit dem zuvor erwähntenLeicheuschmause macht das Volk hier eine Ausnahme.
(Man erkennt darin einen Überrest der altheidnischen festlichen Todtengebräuche.) Ju
seinem Schmerze zeigt unser Volk eine oft stauueuswerthe Fassung, ja einen wahren
Heroismus. Da steht eine Bauernmutter mit einer Schar unmündiger Kiuder am Sarge
ihres Mauues. Sie weint still, ihre ganze Haltung verräth eine gewisse Seelengröße nnd
Hoheit im Leiden, die ihren Stützpunkt in wahrem Gottvertrauen habeu. Auffälliges
Benehme« iu Äußerung des Schmerzes gilt als unschicklich nnd wird, wenn auch augen-
blicklich nicht getadelt, doch nachher „beredet".
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317