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in der Umgangssprache nicht abgelegt, sondern die richtige Mtonung sogar als fehlerhaft,
mundartlich, slavischem Einflüsse entsprungen betrachtet wird. Ebenso allgemein ist die
unrichtige Betonung zusammengesetzter Orts- und von solchen abgeleiteter
Famil iennamen, vielleicht die merkwürdigste Besonderheit unserer Mundart. Entgegen,
wie gesagt, dem deutschen Betonungsgesetze, wonach das erste, das Bestimmungswort
den Hochton trägt, legt der Österreicher den Accent auf das zweite, das Gruudwort
überwiegend bei drei- oder mehrsilbigen Ortsnamen mit einsilbigem Bestimmungsworte,
schwankend bei zweisilbigen Wörtern; also Nennkirche», Pfaffstätteu, Lerchenfeld, Laugeu-
le'barn, Sieghartskircheu, ja sogar Leopoldstadt, Mariahilf — dagegen Baümgarten,
Mühlfchüttel, Neüsiedel; Sechshaüs, Rossaü, Kirchberg nnd Kirchberg, aber Kirchschläg:
richtig bei Znsammensetzungen mit -dors: Kirchdorf, Vösendorf neben Böslaü.
Das Studium der Or tsnamen überhaupt ist eiue der Hauptstützen der Dialect-
forschuug; sie geben über Vorgeschichte, Colonisirnng, Zustand des Landes den reichsten
und sichersten Aufschluß, wenn auch der neckische Kobold, die Volksetymologie, hier
gerade am üppigsten sein Spiel treibt, aus der Ansiedlung Dietbolts (des „Volkskühnen")
das Diebsholz, aus Heinrichsdorf (Hezeliusdorf, Chezelinsdorf) gar Katzelsdorf macht und
andere. Die volle Pracht altdeutscher Namengebung entfaltet sich im Waldviertel, wo in
der genetivischen Form der Benennungen (Dietharts, Gerharts, Gerungs, Siegharts und
vielen ähnlichen) das Andenken der alten Colonen fortlebt.
Die Ortsnamen weisen manche lautliche Eigenheit, so die Vorliebe für das dem
Hochdeutschen fremde oi (so Ois neben Ibbs , beide ans Jubisaha; sonst gerne geschrieben
eo in Leoben, Leobersdorf, Loimans, Langeulois ?e., die im Volksmuude gleich lauten).
Neben manchem Charakteristischen in der Aussprache der Consouauteu erscheinen
die Abweichungen des Voealismns überhaupt als wichtiger; sie lassen sich im Wesentlichen
aus drei Hauptmoniente zurückführen: 1. Vergröberung — Aussprache des a gegen
o hin, des o wie n, des i vor l wie ü: ka°lt, Murd, Bülduug. 2. Nasaliruug, vor-
nehmlich im Auslaut: i' moa (ich meine), mei (mein) Ma° (Mann), i' ha" (ich han —habe)
und so fort. 3. Diphthongierung, am merkwürdigsten, wo einfache Laute gebrochen
und uasalirt werdeu, so daß ein höchst eigenthümlicher, dem Fremden unaussprechbarer
Tou entsteht: scheägeln (schielen).
Das Waldviertel, in welchem die Neuerung, i zu ei, ü zu au zu verschieben, — die
südlich der Donan schon im Xl. Jahrhundert anhebt, im XIII. durchdringt — zuletzt
durchgegriffen hat, wahrt heutzutage die Unterschiede am schärfsten.
Hier sei noch eines sehr verbreiteten Irrthums gedacht. Es wird häufig behauptet,
unsere Muudart zeige Abneigung gegen den Umlaut. Das ist unrichtig. Nur iu der
Präsensform des Verbums wird derselbe gemieden: du trägst, er tragt, laßt, schlaft, stoßt,
Wien und Niederösterreich. 17
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317