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Grundlagen angepaßt nnd ans den wenigen steilen Strecken, welche auf ansgeführten Eisen-
bahnen sich vorfanden, wnrden die Züge von Pserden oder von stehenden Dampfmaschinen
mittelst Seilen befördert. Solche kurze örtliche Steigungen haben aber nichts gemein mit
einer laugeutwickelteu Gebirgsbahn, welche in die Alpenregionen vorzudringen hat. Die
Aufgabe war daher innerhalb sehr weiter Grenzen problematisch; es handelte sich nicht
allein darum, einem schwierigen Terrain eine geeignete Traee siir die Bahn abzuringen,
sondern vor Allem anch um die Entscheidung der principiellen Frage, ob der Transport
ans dieser Bahn mit Locomotiven oder mit anderen Mitteln bewerkstelligt werden sollte.
Dieser Aufgabe, mit welcher sich Ghega beinahe dnrch ein Decenninm unausgesetzt
beschäftigte, widmete der geniale Mann eine unermüdliche Thätigkeit und mit kritischem
Scharfsinne deckte er die Ziele auf, welchen der Fortschritt im Eisenbahnwesen sich
zuwenden mußte. Als solche Ziele erkannte er das Verlassen des Pferdebetriebes, die
Abschaffung der atmosphärischen Eisenbahnen, das Aufgeben der Seilbahnen, den
Fortschritt im Locoiuotivbaue und infolge dessen das unaufhaltsame Eindringen der
Locomotivbahueu iu die Gebirge; er entschloß sich daher eine Locomotivbahn über den
Semering zn beantragen, welche die bis dahin für unmöglich gehaltenen Steigungen von
1 :40 uud Krümmuligeu von 190 Meter Halbmesser als Regel enthalten sollte. So kühn
erschien das Unteruehmeu, daß selbst aus dem Kreise ernster Fachgenossen warnende
Stimmen sich erhoben, welche den beabsichtigten Locomotivbetrieb auf einer solchen Bahn
als einen groben Mißgriff bezeichneten. Inzwischen war die Bahn jenseits der Alpen
schrittweise nach Graz, Eilli nnd Laibach vorgedrungen, nnd vielleicht wäre angesichts der
folgenschweren und so heftig angefochtenen Entscheidung die brennende Semeriugfrage
noch nicht zu einem Abschlüsse gelangt, wenn nicht die Arbeitsnoth infolge der Wirren des
Jahres 1848 zur Juaugriffuahme eines großen Bauwerkes hingedrängt hätte. Noch in
demselben Jahre wurden die leichteren, im Jahre 1850 die schwierigeren Strecken
begonnen und im Jahre 1854 die ganze Semeringbahn dem öffentlichen Verkehr übergebe».
Die zweigeleisige Bahn verläßt Gloggnitz in einer Höhe von 438 Meter über dem
Meere, erhebt sich, mit hohen Wand- und Stützmauern an die Gehänge der Thäler
angelehnt, in dem großen Scheiteltunnel unter dem Semeriugpaß auf 898 Meter Meeres-
höhe und sinkt bis Mürzzufchlag auf 682 Meter herab. Vou der 41 Kilometer langen
Bahn liegt mehr als die Hälfte im Boge», mehr als die Hälfte liegt in Steigungen von
ganz oder uahe 1.40, Tuuuel folgt auf Tuuuel nnd gewaltige gewölbte Viadncte mit viel-
fachen Öffnungen und doppelten Etagen verleihen der Bahn jenes monumentale Ansehen,
welches die Bauweise jeuer Zeit uud die Individualität des Erbauers charakterisirt.
Obwohl der Erbauer der Semeringbahn vorsichtig die ganze Anlage an jene Grenze
gestellt hatte, wo noch der erprobte Betrieb von der ebenen Bahn anf die kühne Gebirgs-
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Volume 4
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Volume
- 4
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.75 x 26.17 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317