Page - 29 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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kommt nicht nur in Falkes detailreichen Schilderungen der Be
kleidung des Ritters und Wilczeks Vergleich mit dem Jockey zum
Ausdruck, sondern etwa auch in der » Geschichte des Rittertums «,
die Otto Henne am Rhyn 1893 veröffentlichte. » Ritterlich «, das
weiß der Autor dem historisch interessierten und nach histori
schen Vorbildern für die eigenen Moralvorstellungen suchenden
Bürger seiner Zeit als Adressat in aller Kürze mitzuteilen, sind hier
» die Tapferkeit im Kriege, die Großmut gegenüber den Besiegten,
die Höflichkeit gegenüber den Damen, die Gastfreundlichkeit und
die Treue gegen die Vorgesetzten. «61 Auch hier ist die Burg eng mit
dem Typus des Ritters verknüpft, werden freistehende ( ! ) Burgen
als das » Lebenselement «62 des Rittertums bezeichnet. Der Autor
geht so weit, den Burgen » einen hervorragenden moralischen Cha
rakter « zu attestieren : » sie waren das Sinnbild der Zusammenge
hörigkeit des Geschlechts, sie bildeten den heiligen Herd des Haus
wesens und gaben also dem Rittertum jene höhere Weihe, die es in
Verbindung mit der Lust an der Dichtung und Kunst zu einem be
deutenden Kulturmomente erhoben hat. «63
Nur sehr langsam hatte das neue Interesse an den Burgen des Mit
telalters seit der Zeit um 1800 auch zu einer vertieften Ausein
andersetzung mit der Profanarchitektur des Mittelalters im All
gemeinen und dem Wehrbau im Besonderen geführt, zumal im
deutschsprachigen Raum. Damit fehlten über weite Strecken
des 19. Jahrhunderts – jene Zeitspanne, während der die meisten
Burgen restauriert oder wiederaufgebaut wurden – die Voraus
setzungen zu einem wissenschaftlich gefestigten, sachkundigen
Umgang mit dem überkommenen Bestand. Die Begründung der
modernen » Burgenkunde « fällt erst in die Jahre kurz vor 1900.64
In seinem Buch » Über Burgen und Schlösser im Lande Öster
reich unter der Enns « kritisierte Joseph Scheiger 1837 die blinde
Wut, mit der jedem auch noch so marginalem antiken Fundstück
nachgespürt würde, während die Bauten des Mittelalters zuse
hends verfielen : » Unter allen Baudenkmalen, welche die Vorzeit
uns vererbte, erfreut sich gewiß keine Gattung eines allgemei
neren Anspruches, als die alten Burgen und ihre Trümmer. [ … ]
Wahrhaft rührend erscheint der Antheil, welchen die Mitwelt
an diesen Zeugen einer kräftigen, obgleich rauen und oft argen
Zeit nimmt, wenn er auch meistens bloß Gefühl ohne Verwirk
lichung nach Außen bleibt, und man auf die Ausgrabung der un
bedeutendsten Fragmente römischen Ursprunges bedeutende
Kosten gerne verwendet, während man die Wohnsitze unserer
ältesten und edelsten Familien unbekümmert veröden lässt. «65
Lange Zeit hindurch konzentrierte sich die wissenschaft
liche Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Burg auf
29Ritter
– Burg
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Kreuzenstein
- Subtitle
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Author
- Andreas Nierhaus
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 258