Page - 47 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Turnierplatz, Rittersäule, Rittergruft und anderen Bauten erÂ
gänzt, der sich von der umgebenden Parklandschaft auch durch
die entsprechende Bepflanzung mit Nadelhölzern abhob. InsbeÂ
sondere der Turnierplatz verweist auf die festliche Nutzung des
Rittergaus durch die kaiserliche Familie, fĂĽr die bereits 1791 im
Laxenburger Park ein Turnier veranstaltet worden war.119 FranÂ
zensburg und Rittergau waren auf eine Rezeption durch eine
breite Ă–ffentlichkeit hin orientiert, der die unterschiedlichen
Bedeutungsebenen der Anlage durch eigens ausgebildetes PersoÂ
nal und ausfĂĽhrliche Beschreibungen in den einschlägigen ReiseÂ
fĂĽhrern vermittelt wurden.120
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als sich Kreuzenstein beÂ
reits in Bau befand, blickten die Zeitgenossen, die sich nun mehr
als zuvor im Besitz historisch verbürgter Tatsachen wähnten, mit
Verwunderung auf das Mittelalterbild der Großvätergeneration
zurĂĽck, wie aus Albert Ilgs Charakteristik der Franzensburg von
1883 ersichtlich wird : » Es braucht heute nicht erst bemerkt zu
werden, dass die Franzensburg mit ihrem bunt gemischtem InÂ
halte kein echtes Abbild eines mittelalterlichen Baues samt desÂ
sen Einrichtung ist. Sie bleibt fĂĽr alle Zeiten aber ein culturgeÂ
schichtlich merkwĂĽrdiges Denkmal der Auffassung eines solchen
archaeologischen Themas seitens der romantischen Periode. «121
Auch wenn der Bauherr von Kreuzenstein Bauten wie die FranÂ
zensburg später als » unverstandene Gotik «122 ablehnen sollte
und seine Burg von ihren romantischen Vorläufern deutlich abÂ
zugrenzen versuchte, dĂĽrfte die Franzensburg wesentliche, wenn
nicht die entscheidenden Anregungen fĂĽr die Konzeption von
Kreuzenstein geboten haben. Trotz der Distanz von fast einem
Jahrhundert, die zwischen Laxenburg und Kreuzenstein liegt,
trotz der unterschiedlichen Motivationen zum Bau – in LaxenÂ
burg war es der Wunsch nach einem Gartengebäude, in KreuzenÂ
stein die Suche nach einem Platz für die Familiengruft – sind die
Parallelen offensichtlich : Nicht nur die Konzentration und VariaÂ
tion von Spolien, auch die Kombination mit Sammlungsobjekten,
ihre Zurschaustellung in fingierten Wohnräumen, in denen imaÂ
ginäre Bewohner hausen, findet sich in beiden Bauten.
Bereits in Kassel und Laxenburg zeigen sich die neuen FunktiÂ
onen der Burg im 19. Jahrhundert miteinander vereint : Durch die
Einrichtung einer fiktiven Ritterwohnung wird die Burg zum MuÂ
seum, das der Ă–ffentlichkeit einen vermeintlich intimen Einblick
in die Lebenswelt des Ritters vermittelt, wobei dieser mit AbÂ
sicht namenlose Ritter auch als Folie fĂĽr dynastische LegitimatiÂ
onsstrategien dient. Der Ritter ist förmlich eingeschlossen in die
Burg, auch wenn er und sein Gefolge den Schauplatz gerade verlasÂ
sen zu haben scheinen ; zum physischen Bestandteil wird er, wenn
nach seinem Tod die Gebeine in der Gruft bestattet werden.123
47Die
Burg im Garten
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Kreuzenstein
- Subtitle
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Author
- Andreas Nierhaus
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 258