Page - 150 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Raumes schmĂĽcken auch hier in die Täfelung eingelassene TapisÂ
serien des 16. Jahrhunderts, die Fensternischen sind mit durchÂ
brochen geschnitztem MaĂźwerk vertäfelt, eine hölzerne KassetÂ
tendecke schließt den Raum ab. Höhepunkt der Ausstattung ist
ein spätgotisches Kastenbett aus Tirol.441
Durch die schlichte Hauskapelle mit einem Triptychon Hans
Canons, dem sogenannten » Stiftungsbild « der Familie Wilczek,442
erreicht man das groĂźe, fĂĽnfgeschoĂźige Stiegenhaus, das am AuÂ
Ăźenbau durch einen eigenen turmartigen Trakt hervorgehoben
wird. Es besitzt eine komplexe räumliche Organisation : DurchÂ
gehend zweischalig konzipiert, setzt es im Parterre in einem okÂ
togonalen, von Säulen getragenen zentralen VestibĂĽl mit SternÂ
rippengewölbe an und fĂĽhrt dann zunächst in der äuĂźeren RaumÂ
schicht um dieses Vestibül herum in den ersten Stock. 〚 97 〛 Von
hier an bis zum obersten Stockwerk ist in das durchgehende
struktive GerĂĽst des oktogonalen Säulenkranzes eine an der UnÂ
terseite mit Reliefs geschmĂĽckte Wendeltreppe aus dem Jahr 1555
eingestellt, die von Wilczek aus dem Besitz der Grafen Schönborn
in Schloss Göllersdorf erworben wurde.443 Ăśber diese Treppe erÂ
reicht man im ( heute nicht mehr zugänglichen ) ZwischengeÂ
schoĂź ĂĽber der Hauskapelle die im maurischen Stil gehaltene BaÂ
destube mit Fresken nach Motiven der Wenzelsbibel, in der einst
die maurische Badewanne, ein HauptstĂĽck der Sammlungen, aufÂ
gestellt war.444 〚 96 〛
Das Stiegenhaus endet im ( heute ebenfalls unzugänglichen )
obersten Stockwerk in einem offenen Dachstuhl. Der groĂźe KaÂ
min besitzt spätgotische figĂĽrliche Steinsockeln » aus einem BauÂ
erngarten in Sigmundsherberg « in Niederösterreich ;445 auf dem
Dachbalken ist eine Verkündigungsgruppe angebracht. 〚98 〛 Alle
Holzteile dieses Raumes wurden beim Brand im Jahr 1915 schwer
beschädigt und präsentieren sich bis heute im verkohlten ZuÂ
stand. Vermutlich von diesem Raum aus erreichte man die mit
mittelalterlichen Textilien sowie italienischen Majoliken und
deutschen Fayencen ausgetattete Samtstube oder Feine KamÂ
mer 446 〚 99 〛 sowie vierzehn Schlafkammern.447 Auf das anschlieÂ
Ăźende Herrenschlafgemach 〚 100 〛, in dem neben einem spätgotiÂ
schen Kastenbett aus SĂĽdtirol448 vor allem Siegburger Keramik
aufbewahrt wurde,449 folgt die Herrenstube im Nordwestturm.
〚 101 – 103 〛 Zusammen bilden sie eine Art privates Appartement
des Burgherren, das der Ă–ffentlichkeit im Gegensatz zum GroĂźÂ
teil der ĂĽbrigen Räume zu Lebzeiten Wilczeks wohl niemals zuÂ
gänglich war.450 Als Kontrast zu den schlichten holzgetäfelten
Schlafkammern ist die Herrenstube, eine der bemerkenswertesÂ
ten Raumschöpfungen der Burg, ganz in Steinmetzarbeit ausgeÂ
fĂĽhrt. Einmal mehr fĂĽhrt hier das Spiel mit unterschiedlichen
150 Eine moderne Burg
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Kreuzenstein
- Subtitle
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Author
- Andreas Nierhaus
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 258