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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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präsent. So wurden etwa für den Bau der » Gloriette « im Park von Schloss Schönbrunn im Jahr 1775, wie Kaiserin Maria Theresia schrieb, » eine alte Gallerie von steinernen säullen und gesimb­ sen welche Nichts Nuzet « im Schloss Neugebäude abgetragen.566 Die dorischen Doppelsäulen und Gebälkstücke wurden von Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg ( 1733 – 1816 ) als Ar­ kadengänge zu beiden Seiten des Mittelpavillons wieder errich­ tet, wodurch das charakteristische Erscheinungsbild des Renais­ sanceschlosses Kaiser Maximilians II. in Form eines bildhaften Reflexes, aber eben auch materiell erhalten blieb. In erster Linie inhaltlich motiviert – auch im Sinn ihrer schon in der Antike bekannten Funktion als Beutestücke und Trophäen – war dagegen die Verwendung jener Spolien, die auf Geheiß des Feldmarschalls Ernst Gideon Freiherr von Laudon nach der Erobe­ rung von Belgrad 1789 in seinen Landschaftspark westlich von Wien gebracht wurden. Die heute als » Türkensteine « bekannten Spolien waren ursprünglich Bestandteile des Stambultores in Bel­ grad bzw. des Grabmals des Elçi el­ Hacc İbrahim Pascha, der 1700 die Großbotschaft Sultan Mustafas II. zur Ratifizierung des Frie­ dens von Karlowitz nach Wien geführt hatte und als Festungs­ kommandant von Belgrad verstorben war.567 Laudon plante, da­ raus im Park seines Schlosses ein Mausoleum in Form einer » Türbe « – eines Grabbaus hoher osmanischer Würdenträger – zu errichten, » erbaut aus Steinen der von ihm dem Kaiser wiederge­ wonnenen Festung Belgrad : Grabmal und Tropaion in einem. «568 Der aufwändige Transport von weither und die kontrastie­ rende Wirkung im neuen Kontext haben seit jeher einen Gutteil der Wirkung von Spolien ausgemacht. Nicht zuletzt unter die­ sem Gesichtspunkt ist auch die Vielzahl jener unterschiedlichen Spolien zu betrachten, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­ derts in den Schlössern und Gärten der Hohenzollern in Berlin und Potsdam aufgestellt und eingebaut wurden : Die Bandbreite ist außergewöhnlich und reicht von der spätgotischen Fassade eines Danziger Bürgerhauses, die zwischen 1824 und 1826 von Karl Friedrich Schinkel in das Kavalierhaus auf der Pfaueninsel integriert wurde,569 über die antiken Spolien ( darunter Wandde­ korationen des Pantheon in Rom ), mit deren Hilfe Schinkel in Glienicke eine italienische Villa nachstellte,570 bis hin zum » Klos­ terhof « im dortigen Park, der 1850 nach Entwürfen Ferdinand von Arnims vollendet wurde und vorwiegend aus romanisch­ by­ zantinischen Spolien aus dem Kloster auf der Insel Certosa in der Lagune von Venedig zusammengesetzt war.571 Die von Ludwig Persius und Friedrich August Stüler entworfene, auf frühchrist­ liche und romanische Vorbilder zurückgehende Potsdamer Frie­ denskirche wurde nicht zuletzt zur Aufnahme eines 1834 aus der 188 Herrschaft der Dinge
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kreuzenstein
Subtitle
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Author
Andreas Nierhaus
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
258

Table of contents

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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