Page - 199 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Kreuzenstein geriet zu einem der populärsten und bekanntesten
Motive in der Umgebung Wiens. Bereits lange vor der FertigstelÂ
lung im Jahr 1906 hatte sich Kreuzenstein als Ausflugsziel etabÂ
liert, was nicht zuletzt auch in der Vielzahl von Ansichtskarten
mit Motiven unabhängiger Fotografen zum Ausdruck kommt.
Sie beschränken sich allerdings, soweit bisher bekannt, auf AuÂ
Ăźenaufnahmen. Es ist daher anzunehmen, dass Burger an dieser
Stelle exklusive Rechte eingeräumt worden waren. Auffällig ist,
dass Baustellenfotos, die uns aufgrund ihres eigenartigen Effekts
der fotografischen Wiedergabe einer » mittelalterlichen « BauÂ
stelle heute besonders faszinieren, auf keiner der bisher bekannÂ
ten Ansichtskarten ĂĽberliefert sind.600 Burger hat allerdings geÂ
rade die Wiederaufbauarbeiten ausfĂĽhrlich dokumentiert ; seine
Fotografien dienten auch als Grundlage fĂĽr die weitere Planung
einzelner Bauabschnitte.601 DarĂĽber hinaus umfasste Burgers DoÂ
kumentation sämtliche Innenräume der Burg, die oft in mehreÂ
ren Ansichten festgehalten wurden, sowie eine groĂźe Zahl von
Objekten aus der Sammlung des Bauherrn ; auch die Zerstörungen
durch den Brand von 1915 wurden von ihm festgehalten.
Die Verwendung auĂźergewöhnlich groĂźer Glasplatten erÂ
laubte AbzĂĽge mit bis in die Textur der Objekte reichender TieÂ
fenschärfe. Dramatische Inszenierungen waren Burgers Sache
nicht, wenn er sich auch bei Aufnahmen wie jenen des BurggraÂ
bens 〚 58, 59 〛 dazu herausgefordert gesehen haben mag, die WirÂ
kung der örtlichen Gegebenheiten durch die Fotografie zu steiÂ
gern. So finden sich kaum Nahaufnahmen der Burg von auĂźen
mit starken Ăśberschneidungen, wie sie die reale Wahrnehmung
bestimmen, vielmehr wird die Silhouette des Baues als Ganzes
und aus allen Himmelsrichtungen beschrieben. Auch bei den InÂ
terieurs stand die möglichst präzise und umfassende DokumenÂ
tation des Vorhandenen und seiner Aufstellung im Vordergrund,
wobei auch Veränderungen in der Präsentation – etwa im Fall der
Waffensammlung – festgehalten wurden. Das Festhalten oder ErÂ
zeugen einer besonderen » Stimmung « war offensichtlich nachÂ
rangig. Die Fotografien erfassen die größeren Räume zumindest
aus zwei Richtungen, wobei Eckansichten häufig sind. Die Zahl
der Fotografien einzelner Räume lässt dabei auf ihre Bedeutung
fĂĽr den Bauherrn schlieĂźen : RĂĽstkammer, Kapelle und HerrenÂ
stube – das private Refugium des Bauherrn – wurden am häuÂ
figsten aufgenommen. Das einströmende Tageslicht ist fĂĽr BurÂ
ger nicht störend, er lässt es vielmehr durch die Räume fluten.
KĂĽnstliches Licht dĂĽrfte Burger nur dort verstärkt eingesetzt haÂ
ben, wo die Verhältnisse es nicht anders zuließen, wie etwa in
der durch einen Scheinwerfer ausgeleuchteten Seitenapsis der
Kapelle. 〚 78 〛 Insgesamt zeugen die Fotografien in ihrer ruhigen
199Fotografie
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Kreuzenstein
- Subtitle
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Author
- Andreas Nierhaus
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 258