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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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durch die Lagunenstadt ; so wird dort etwa » eine imponierende Palastfront von edlen Formen und reichen durch den verwittern­ den Einfluss der Jahrhunderte überaus harmonisch gedämpften Farbentönen « beschrieben, und über den » Palazzo Priuli « 〚 122 〛 heißt es, » er gehörte ehemals dem Geschlechte der Priuli und ist von dem Baukünstler Bartolomeo Monopola erbaut. Hier befin­ det sich das Wechselhaus und Reisebureau Schenker & Co. Dane­ ben hat die heimische Cognacfirma Berger, Volk & Co. ihr Ausstel­ lungslocale gefunden. «624 Spätestens mit » Venedig in Wien «, das am Ende der ersten Saison angeblich mehr als zwei Millionen Be­ sucher verzeichnen konnte,625 war der Themenpark in seiner eu­ ropäischen Ausprägung von der Ausstellung abgekoppelt und au­ tonom geworden. Wohl nicht unbeeindruckt durch den Erfolg von Inszenierun­ gen wie » Venedig in Wien «, aber nicht von kommerziellen, son­ dern vielmehr politisch­ weltanschaulichen Bestrebungen gelei­ tet, trat der Journalist, Schriftsteller und germanophil­ rassistische Esoteriker und Okkultist Guido ( von ) List im Jahr 1900 mit seinem Pamphlet » Der Wiederaufbau von Carnuntum « für eine Rekonst­ ruktion der antiken Stadt östlich von Wien als römisch­ germani­ scher Themenpark ein.626 Angesichts der jüngst mit großem Auf­ wand durchgeführten Wiederherstellung antiker Bauten auf dem Areal dieser bedeutenden römischen Ausgrabungsstätte besitzt das Projekt eine skurrile Aktualität. Mit verquerer Logik wollte List den Menschen der Gegenwart die historische Bedeutung der Zerstörung Carnuntums durch die Germanen im 4. Jahrhundert als Sinnbild des Kampfes um die Vorherrschaft im Donauraum durch seinen Wiederaufbau vor Augen führen. Das rekonstruierte Car­ nuntum sollte gleichsam den Moment unmittelbar vor der Zer­ störung der Stadt als historischen Schauplatz wiederherstellen. Lists deklariertes Vorbild war Marmoreks Rekonstruktion von » Alt­ Wien « 1892, allerdings sollten in Carnuntum nicht nur Kulis­ sen, sondern dauerhafte Bauten in streng antiken Formen errich­ tet werden : » Carnuntum also soll in den charakteristischen For­ men des Römercastells sich erheben [ … ]. «627 Als Gegenpol wollte List das fiktive » Stilifrieda « an der March als germanische Ideal­ stadt rekonstruieren. Um die Illusion perfekt zu machen, sollten beide Städte durch » eine entsprechend bekleidete Bevölkerung « belebt werden.628 Der breite Raum, den List der Behandlung ge­ rade dieser Frage widmet, belegt den hohen Stellenwert möglichst perfekter Illusion. Besonders wichtige historische Momente soll­ ten » an bestimmten Tagen mit Massenentwicklung scenisch dar­ gestellt werden, wozu keine Bühne, sondern die Gesammtanlage benützt werden soll, so daß die gesammte Zuschauermenge selbst als Mitwirkende mit in Verwendung tritt. «629 Und um dauerhaft 204 Mediale Korrespondenzen
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kreuzenstein
Subtitle
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Author
Andreas Nierhaus
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
258

Table of contents

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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