Page - 13 - in Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen?
Christoph Rehmann-Sutter
Es wäre unmöglich gewesen, weite Teile des gesellscha#lichen Lebens in
so kurzer Zeit lahmzulegen (ohne dazu brachiale Gewalt anzuwenden),
wenn nicht alles schon sorgfältig geplant gewesen wäre, wenn nicht Pan-
demiepläne und Epidemiengesetze den Staaten Kompetenzen und Autori-
tät verscha$ hätten, so einschneidend in die Grundrechte ihrer Bürgerin-
nen und Bürger einzugreifen. Das ist die eine Seite dieser Erfahrung.
Es war eine international konzertierte Aktion, koordiniert von der
WHO und weltweit durchgesetzt von den nationalen Behörden, die massi-
ve finanzielle Ressourcen bereitstellten, um die wirtscha#lichen Schäden
der Maßnahmen abzufedern. Wir erinnern uns: Im Dezember 2019 trat in
Wuhan eine «virale Lungenentzündung» unbekannter Ursache auf. Am
9. Januar meldeten die chinesischen Behörden der WHO, dass es sich um
ein neues Coronavirus handelte. Die Infektion breitete sich rasch entlang
der Verkehrswege über China hinaus aus. Am 21. Januar trat der erste Fall
in den USA auf, am 24. Januar meldete Frankreich drei Fälle von Corona-
Virus bei Personen, die aus Wuhan eingereist waren. Am 30. Januar erklär-
te der WHO-Generaldirektor die Epidemie zu einer «public health emer-
gency of international concern (PHEIC)», einer Kategorie, die weitere
Maßnahmen auslöste. Die Ereignisse überschlugen sich; die Medien be-
richteten täglich, bald stündlich. Am 11. März wurde die Situation von der
WHO als Pandemie eingestu#, Bereits Mitte März, also nur zwei Monate
nach der Entdeckung des neuen Coronavirus (das muss man sich mal vor-
stellen!), verkündeten die meisten europäischen Länder Ausgangs- und
Reisebeschränkungen, Verbote von ö!entlichen Anlässen, Konzerten,
Messen, Sportveranstaltungen, sogar der Basler Fasnacht. Schulen, Univer-
sitäten, Restaurants, Geschä#e wurden geschlossen – ein Lockdown wurde
verhängt, wie ihn die Welt noch nie vorher gesehen hat. Das Leben musste
weitgehend hinter die Fenster und Mauern, in private Innenräume abtau-
chen. Kommunikation fand vor allem über Medien statt.
Das war die eine Seite: Vorratsplanung. Schrittweise in Form von Maß-
nahmenbündeln umgesetzt. Die Macht im Krisenmodus neu verteilt. Staa-
ten wurden plötzlich von den Gesundheitsministerien regiert, und alles
hörte auf die Virologen. Auf der anderen Seite verlief es aber alles andere
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Title
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Paradoxien einer Krise
- Author
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Editor
- Anna-Katharina Höpflinger
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 134
- Categories
- Coronavirus
- Medien
Table of contents
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133