Page - 11 - in Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen
Friedhelm Hartenstein
Die vorliegende Publikation in Zeiten der Pandemie ist Ausdruck und zu-
gleich Bewältigungsstrategie jener besonderen Erfahrungen, denen die
Universität wie alle gesellscha#lichen Institutionen seit Februar 2020 aus-
gesetzt ist. Dass aus einem normalen Forschungsseminar heraus zeitnah
Beiträge von hoher Aktualität entstehen und publiziert werden, ist in den
Geisteswissenscha#en unüblich und verdankt sich dem Corona-Gesche-
hen.
Die Mitarbeitenden und Studierenden am Lehrstuhl für Religionswis-
senscha# und Religionsgeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fa-
kultät der LMU haben damit ad hoc eine Form der beteiligten Beobach-
tung erprobt, für die das Unabgeschlossene des Gegenstandsfelds gerade
den großen Reiz darstellt. Entsprechend folgen die Beiträge keinem theo-
retischen und methodischen Gesamtkonzept, sondern erschließen – tas-
tend und vorläufig – vor allem Phänomene der medialen Kommunikation
der Pandemie, die sich religiöser Muster bedienen.
Die Gliederung des Bandes spiegelt den mosaikartigen Zugang, wobei
sich im Ganzen ein Bild der Wechselwirkung von Religion und Medien in
der Corona-Krise ergibt, das zentrale Aspekte erfasst: Genannt seien die
Umstellung institutionalisierter Religion auf digitale Vollzüge und die da-
mit einhergehenden Gewinne und Verluste; das Hervortreten sozialer Un-
terschiede und die kreative Selbstorganisation von Hilfeleistungen; die
Darstellung des Unsichtbaren am Beispiel der medialen Inszenierung von
Krankheit und Tod infolge von Covid-19; die Verschärfung der Wahrheits-
frage im «postfaktischen» Zeitalter am Beispiel der Pandemie (darunter die
Anziehungskra# von Verschwörungstheorien); schließlich die metaphori-
sche Kra# von ursprünglich religiösen Bildern als ein Mittel kognitiver
und kommunikativer Einhegung des Unbekannten (der Zukun#, des «An-
derswerdens» der Lebensrealitäten in und nach der Pandemie).
Dass in diesem Buch keine vorschnelle und glatte Interpretation hoch-
komplexer Phänomene beansprucht wird, sondern die Einladung ergeht,
sich auf Reflexionen «mittlerer Reichweite» einzulassen, ist meines Erach-
tens eine große Stärke.
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Title
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Paradoxien einer Krise
- Author
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Editor
- Anna-Katharina Höpflinger
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 134
- Categories
- Coronavirus
- Medien
Table of contents
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133