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Molekulargewicht 27
abha¨ngige Moleku¨lzahl n. Man steht also hier vor der Wahl, fu¨r diesen
Fall entweder eine vera¨nderliche Moleku¨lzahl anzunehmen, oder aber die
Avogadrosche Definition fu¨r die Moleku¨lzahl u¨berhaupt nicht anzuwenden,
mitanderenWorten:dieUrsachederAbweichungvondemidealenGaszustand
entweder in chemischen oder in physikalischen Umsta¨nden zu suchen. Nach
der letzteren Anschauung bleibt die chemische Natur des Gases erhalten,
also die Moleku¨le auch bei vera¨nderter Temperatur und vera¨ndertem Druck
dieselben, sie unterliegen nur einer komplizierteren Zustandsgleichung als
der Boyle-Gay-Lussacschen, z.B. der van der Waalsschen oder der
Clausiusschen. Wesentlich davon verschieden ist aber die andere Auffassung,
nach welcher ein Gas, das Abweichungen von den Gesetzen idealer Gase zeigt,
nichts anderes ist als eine Mischung mehrerer verschiedener Moleku¨larten
(bei Untersalpetersa¨ure N2O4 und NO2, bei Phosphorpentachlorid PCl5,
PCl3 und Cl2), deren Volumen in jedem Augenblick genau den durch die
Gesamtzahl der Moleku¨le fu¨r eine Mischung idealer Gase nach Gleichung (16)
bestimmten Wert besitzt und sich bei einer A¨nderung der Temperatur und
des Druckes nur deshalb nicht wie bei einem idealen Gase a¨ndert, weil
durch gleichzeitige chemische Umsetzungen die verschiedenartigen Moleku¨le
zum Teil ineinander u¨bergehen und dadurch ihre Gesamtzahl stetig a¨ndern.
Diese Anschauung hat sich bisher am fruchtbarsten in allen den Fa¨llen
erwiesen, wo es sich um bedeutende A¨nderungen der Dichten handelt, um
die sogenannten abnormen Dampfdichten, und dies namentlich dann, wenn
die spezifische Dichte des Dampfes jenseits eines gewissen Temperatur-
oder Druckintervalls wieder konstant wird. Dann ist na¨mlich die chemische
Umsetzung vollsta¨ndig geworden und die Moleku¨le vera¨ndern sich nicht
mehr. So z.B. verha¨lt sich Bromwasserstoffamylen sowohl unterhalb 160◦
als auch oberhalb 360◦ wie ein ideales Gas, doch im letzteren Zustand mit
halber Dichte, entsprechend einer Verdoppelung der Moleku¨lzahl:
C5H11Br =C5H10 +HBr.
Sind aber die Abweichungen von den Gesetzen idealer Gase unbedeutend, so
schiebt man sie gewo¨hnlich auf physikalische Ursachen, wie bei Wasserdampf
und Kohlensa¨ure, und faßt sie als Vorboten der Kondensation auf. Eine
prinzipielle Trennung der chemischen von den physikalischen Einflu¨ssen und
damit eine Vervollsta¨ndigung der Definition des Molekulargewichts fu¨r alle
variablen Dampfdichten la¨ßt sich zurzeit praktisch noch nicht durchfu¨hren;
so ko¨nnte man die Zunahme der spezifischen Dichte, welche viele Da¨mpfe
in der Na¨he ihres Kondensationspunktes zeigen, ebensowohl chemischen
Vorga¨ngen zuschreiben, na¨mlich der Bildung von Doppelmoleku¨len oder
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253