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Einleitung 71
und umgekehrt, daß diese Wa¨rme gebunden wird, wenn das Wasser sich
in Wasserstoff und Sauerstoff zersetzt; sie erteilt aber keinen Aufschluß
daru¨ber, ob sich Knallgas wirklich zu Wasser verbindet, oder ob sich
Wasser in Knallgas zersetzt, oder ob der Prozeß u¨berhaupt in irgendeiner
Richtung direkt vor sich gehen kann (vgl. §104). Vom Standpunkt des ersten
Hauptsatzes aus betrachtet erscheinen also Anfangszustand und Endzustand
eines jeden Prozesses als vollkommen gleichwertig.
§ 107. Es gibt allerdings einen singula¨ren Fall, wo das Energieprinzip
allein einem Prozesse eine ganz bestimmte Richtung vorschreibt; dieser
Fall tritt dann ein, wenn sich das betrachtete System in einem Zustand
befindet, fu¨r den eine der verschiedenen Energiearten ein absolutes Maximum
oder ein absolutes Minimum besitzt. Dann kann na¨mlich eine Vera¨nderung
offenbar nur in dem Sinne erfolgen, daß die betreffende Energie abnimmt,
bez. zunimmt. Dieser singula¨re Fall findet sich z.B. verwirklicht in der
Mechanik, wenn ein materielles System ruht, wenn also die kinetische
Energie ein absolutes Minimum ist: d. h. in einem ruhenden System ist
jede Vera¨nderung mit einer Zunahme der kinetischen, folglich, falls keine
Einwirkungen von außen stattfinden, mit einer Abnahme der potentiellen
Energie verknu¨pft. Hieraus entspringt ein wichtiger Satz der Mechanik, der
die Richtung von selbst eintretender Bewegungen charakterisiert und dadurch
auch zur Fixierung der allgemeinen mechanischen Gleichgewichtsbedingung
fu¨hrt. Denn wenn außer der kinetischen auch die potentielle Energie ein
Minimum ist, so kann offenbar u¨berhaupt keine Vera¨nderung eintreten, da
sich dann keine der beiden Energien auf Kosten der andern vergro¨ßern
kann, und das System muß in Ruhe bleiben.
Befindet sich z.B. eine schwere Flu¨ssigkeit in zwei kommunizierenden
Ro¨hren auf verschiedenen Niveauho¨hen im Ruhezustand, so muß die
Bewegung in dem Sinne eintreten, daß das ho¨here Niveau sinkt, das tiefere
steigt, weil dabei der Schwerpunkt des Systems tiefer gelegt wird und
dadurch die potentielle Energie, deren Wert mit der Ho¨he des Schwerpunkts
wa¨chst, vermindert wird. Gleichgewicht ist dann vorhanden, wenn die Ho¨he
des Schwerpunkts und mit ihr die potentielle Energie ein Minimum ist, d. h.
wenn die Flu¨ssigkeit in beiden Ro¨hren gleich hoch steht. Sobald aber u¨ber
den Geschwindigkeitszustand der Flu¨ssigkeit keine besondere Voraussetzung
eingefu¨hrt wird, verliert jener Satz seine Gu¨ltigkeit, die potentielle Energie
braucht nicht abzunehmen, und das ho¨here Niveau kann ebensogut steigen
wie sinken.
Wu¨rde man in der Wa¨rme auch einen Zustand minimaler Energie
kennen, so wu¨rde fu¨r diesen, aber auch nur fu¨r diesen singula¨ren
Zustand, ein a¨hnlicher Satz gelten. Da jedoch in Wirklichkeit nicht
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253