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Der zweite Hauptsatz der Wa¨rmetheorie 72
einmal dieses zutrifft, so ist es aussichtslos, die allgemeinen Gesetze der
Richtung thermodynamischer Vera¨nderungen sowie des thermodynamischen
Gleichgewichts auf entsprechende Sa¨tze in der Mechanik, die nur fu¨r ruhende
Systeme gelten, zuru¨ckfu¨hren zu wollen.
§ 108. Obwohl aus diesen Darlegungen ersichtlich ist, daß das
Energieprinzip im allgemeinen nicht dazu dienen kann, die Richtung
eines thermodynamischen Prozesses und damit auch die Bedingungen des
thermodynamischen Gleichgewichts zu bestimmen, so haben doch, wesentlich
im Anschluß an den im vorigen Paragraphen besprochenen Satz der
Mechanik, die Versuche lange fortgedauert, das Energieprinzip in der einen
oder anderen Weise zur Bestimmung der Richtung thermodynamischer
Vorga¨nge nutzbar zu machen, und dadurch mußte der zweite Hauptsatz, der
seinerseits gerade diesem Zwecke dient, in manchen Darstellungen ein ganz
unklares Ansehen erhalten. Man suchte ihn gewissermaßen als einen Teil
des Energieprinzips hinzustellen, indem man alle Untersuchungen, welche
sich mit diesen Fragen bescha¨ftigen, unter der hierfu¨r zu engen Bezeichnung
”
Energetik“ zusammenfaßte. Der zweite Hauptsatz kommt aber mit dem
Begriff der Energie nicht aus, er la¨ßt sich keineswegs dadurch erscho¨pfend
behandeln, daß man jeden Naturvorgang in eine Reihe Energieverwandlungen
zerlegt und nun nach der Richtung jeder einzelnen Verwandlung fragt.
Man kann freilich in jedem einzelnen Falle die verschiedenen Energiearten
namhaft machen, die sich gegenseitig umsetzen; denn das Energieprinzip
muß ja immer erfu¨llt sein. Aber es bleibt immer eine gewisse Willku¨r
darin bestehen, wie man die Bedingungen der einzelnen Verwandlungen
ausdru¨ckt, und diese Willku¨r la¨ßt sich durch keine allgemeine Festsetzung
eindeutig beseitigen.
So findet man auch heute noch manchmal den zweiten Hauptsatz dahin
charakterisiert, daß die Verwandlung von Arbeit in Wa¨rme vollsta¨ndig, die
von Wa¨rme in Arbeit dagegen nur unvollsta¨ndig stattfinden ko¨nne, in der
Weise, daß jedesmal, wenn ein Quantum Wa¨rme in Arbeit verwandelt wird,
zugleich notwendigerweise ein anderes Quantum Wa¨rme eine entsprechende,
als Kompensation dienende Verwandlung, z.B. U¨bergang von ho¨herer in
tiefere Temperatur, durchmachen mu¨sse. Dieser Ausspruch ist in gewissen
ganz speziellen Fa¨llen richtig; ganz allgemein genommen trifft er aber
durchaus nicht das Wesen der Sache, wie der Deutlichkeit halber an
einem einfachen Beispiel gezeigt werden soll. Eine der allerwichtigsten mit
der Entdeckung des Energieprinzips verknu¨pften Errungenschaften fu¨r die
Wa¨rmetheorie ist der in der Gleichung (19) (§70) ausgesprochene Satz, daß
die gesamte innere Energie eines idealen Gases lediglich von der Temperatur
abha¨ngt und nicht vom Volumen. La¨ßt man nun ein ideales Gas sich unter
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253