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Der zweite Hauptsatz der Wa¨rmetheorie 76
in denen keinerlei Reibungswa¨rme auftritt, sind reversibel. Denn durch
Einfu¨hrung geeigneter, aus absolut festen Fu¨hrungen, reibungslosen Gelenken
und Ro¨hren, undehnbaren Seilen usw. zusammengesetzten Maschinen kann
man stets bewirken, daß die vera¨nderten Systeme wieder vollsta¨ndig in den
Anfangszustand zuru¨ckgefu¨hrt werden, ohne daß an diesen Maschinen, die
ja selber niemals Arbeit erzeugen, irgendeine Vera¨nderung zuru¨ckbleibt.
Wenn z.B. eine in zwei kommunizierenden Ro¨hren auf verschiedenen
Niveauho¨hen befindliche urspru¨nglich ruhende schwere Flu¨ssigkeit, wie in
§107 beschrieben, durch ihr Gewicht in Bewegung gera¨t, so wird sie vermo¨ge
der gewonnenen lebendigen Kraft die Gleichgewichtslage u¨berschreiten, nach
der entgegengesetzten Seite pendeln und schließlich, da keine Reibung
vorausgesetzt ist, genau in ihren Anfangszustand zuru¨ckkehren. Dann ist
der Prozeß vollsta¨ndig ru¨ckga¨ngig geworden und geho¨rt daher zu den
reversibeln Prozessen.
Sobald aber die Reibung ins Spiel kommt, ist die Reversibilita¨t
mindestens fraglich. Ob es u¨berhaupt irreversible Prozesse gibt, kann man
von vornherein nicht wissen und auch nicht beweisen; denn rein logisch
genommen ist es sehr wohl denkbar, daß eines Tages ein Mittel aufgefunden
wu¨rde, durch dessen Anwendung es gela¨nge, einen bisher als irreversibel
angenommenen Prozeß, z.B. einen Vorgang, in welchem Reibung oder
Wa¨rmeleitung vorkommt, vollsta¨ndig ru¨ckga¨ngig zu machen. Wohl aber
la¨ßt sich beweisen — und dieser Beweis wird im na¨chsten Kapitel gefu¨hrt
werden —, daß, wenn auch nur in einem einzigen Falle einer der in den
§§109ff. als irreversibel bezeichneten Prozesse in Wirklichkeit reversibel
wa¨re, es notwendig auch alle u¨brigen in allen Fa¨llen sein mu¨ßten. Folglich
sind entweder sa¨mtliche oben angefu¨hrte Prozesse wirklich irreversibel, oder
es ist kein einziger von ihnen. Ein Drittes ist ausgeschlossen. Im letzteren
Falle stu¨rzt der ganze Bau des zweiten Hauptsatzes zusammen, keine der
zahlreichen aus ihm hergeleiteten Beziehungen, so viele einzelne auch durch
die Erfahrung besta¨tigt sind, kann mehr als allgemein bewiesen gelten
und die Arbeit der Theorie muß von vorne beginnen. (Die sogenannten
Beweise der
”
Energetik“ gewa¨hren keinen Ersatz; denn sie stellen sich
bei na¨herer Pru¨fung nur als Umschreibungen des zu Beweisenden heraus,
was darzulegen hier nicht der Ort ist.)1 Aber gerade in diesem Punkte
1In manchen Darstellungen findet man den Prozeß der Wa¨rmeleitung in Parallele
gestellt mit dem des Herabsinkens einer schweren Flu¨ssigkeit von ho¨herem auf tieferes
Niveau, und den Satz, daß in dem einen Fall die Wa¨rme von ho¨herer zu tieferer
Temperatur, im andern Fall die Flu¨ssigkeit von ho¨herem zu tieferem Niveau u¨bergeht,
als ”zweiten Hauptsatz der Energetik“ bezeichnet. Diese Zusammenstellung zeigt
besonders deutlich die Verkennung des wirklichen Sachverhalts; denn es ist hierbei
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253