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Einleitung 77
liegt auch die dem zweiten Hauptsatz innewohnende Kraft. Denn ebenso
wie jede einzelne Lu¨cke ihn vo¨llig unhaltbar macht, so kommt auch jede
einzelne Besta¨tigung dem Ganzen zugute und verleiht den Schlu¨ssen auch
auf scheinbar entfernten Gebieten die volle Bedeutung, die der Satz selber
besitzt.
§ 114. Die Bedeutung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
besteht darin, daß er ein notwendiges und hinreichendes Kriterium dafu¨r
liefert, ob ein bestimmter in der Natur stattfindender Prozeß reversibel oder
irreversibel ist. Da nun die Entscheidung dieser Frage nur davon abha¨ngt,
ob der Prozeß sich auf irgendeine Weise vollsta¨ndig ru¨ckga¨ngig machen
la¨ßt oder nicht, so kommt es dabei lediglich auf die Beschaffenheit des
Anfangszustandes und die des Endzustandes des Prozesses an, nicht aber
auf seinen sonstigen Verlauf. Denn es handelt sich nur um die Frage, ob
man, ausgehend vom Endzustand, auf irgendeine Weise den Anfangszustand,
ohne anderweitig zuru¨ckbleibende A¨nderung, wieder erreichen kann oder
nicht. Daher liefert der zweite Hauptsatz fu¨r jeden beliebigen in der
Natur stattfindenden Prozeß eine Beziehung zwischen denjenigen Gro¨ßen,
welche sich auf den Anfangszustand beziehen, und denjenigen, welche
sich auf den Endzustand beziehen. Bei irreversibeln Prozessen ist offenbar
der Endzustand durch eine gewisse Eigenschaft vor dem Anfangszustand
ausgezeichnet, wa¨hrend bei reversibeln Prozessen diese beiden Zusta¨nde
in gewisser Hinsicht gleichwertig sind. Der zweite Hauptsatz lehrt diese
charakteristische Eigenschaft der beiden Zusta¨nde kennen, er lehrt also
auch, falls zwei Zusta¨nde eines Ko¨rpersystems beliebig gegeben sind, von
vornherein entscheiden, ob in der Natur ein U¨bergang vom ersten zum
zweiten oder vom zweiten zum ersten Zustand mo¨glich ist, ohne daß in
anderen Ko¨rpern A¨nderungen zuru¨ckbleiben. Dazu mu¨ssen aber die beiden
Zusta¨nde vollkommen genau charakterisiert werden, insbesondere mu¨ssen
außer der chemischen Beschaffenheit des in Frage kommenden Systems auch
die physikalischen Bedingungen: Aggregatzustand, Temperatur, Druck, in
beiden Zusta¨nden bekannt sein, ebenso wie das bei der Anwendung des
ersten Hauptsatzes erfordert wird.
gar nicht beru¨cksichtigt, daß der mechanische Zustand eines Ko¨rpers nicht allein
von der Lage, sondern auch von der Geschwindigkeit abha¨ngt, wa¨hrend dagegen
der thermische Zustand allein durch die Temperatur bestimmt ist. Eine schwere
Flu¨ssigkeit kann ebensogut emporsteigen wie herabsinken, die Wa¨rme aber kann nur
”herabsinken“. Allgemein genommen ist also jener ”zweite Hauptsatz der Energetik“
unrichtig. Beschra¨nkt man den Satz aber ausdru¨cklich auf ruhende Ko¨rper, so ist er
wie schon oben (§107) ausgefu¨hrt wurde, eine Folge des Energieprinzips und es ist
daher durchaus unmo¨glich, irgend etwas Neues aus ihm abzuleiten.
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253