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Beweis 93
besitzen, besonders fu¨r isotherme und isobare Prozesse. Wir werden diese
Formen im na¨chsten Kapitel kennen lernen. Doch ist hier ausdru¨cklich zu
betonen, daß die hier gegebene Form unter allen die einzige ist, welche sich
ohne jede Beschra¨nkung fu¨r jeden beliebigen endlichen Prozeß aussprechen
la¨ßt, und daß es daher fu¨r die Irreversibilita¨t eines Prozesses kein anderes
allgemeines Maß gibt als den Betrag der eingetretenen Vermehrung der
Entropie. Jede andere Form des zweiten Hauptsatzes ist entweder nur auf
unendlich kleine Zustandsa¨nderungen anwendbar, oder sie setzt, auf endliche
Zustandsa¨nderungen ausgedehnt, eine spezielle a¨ußere Bedingung voraus,
unter welcher der Prozeß verla¨uft. Na¨heres hieru¨ber unten §140ff.
Die Bedeutung des zweiten Hauptsatzes ist ha¨ufig in einer
”
Zerstreuung
der Energie“ gesucht worden. Indes stellt diese Bezeichnung, welche an
den irreversibeln Vorgang der Wa¨rmeleitung und -strahlung anknu¨pft,
die Sache nur von einer Seite dar. Es gibt irreversible Prozesse, deren
Endzustand genau dieselben einzelnen Energieformen aufweist wie der
Anfangszustand, so z.B. die Diffusion zweier idealer Gase (§238), oder die
weitere Verdu¨nnung einer sehr verdu¨nnten Lo¨sung. Ein solcher Prozeß ist
von keinem merklichen Wa¨rmeu¨bergang, keiner a¨ußeren Arbeit, u¨berhaupt
keinem merklichen Umsatz an Energie begleitet,1 er geht nur deshalb
vor sich, weil ihm eine merkliche Vermehrung der Entropie entspricht.2
Ebensowenig wie von einer zerstreuten Energie kann man im allgemeinen
von einer
”
verlorenen Arbeit“ als einem bestimmten Maß der Irreversibilita¨t
reden. Dies ist nur bei isothermen Prozessen mo¨glich (§143).
§ 135. Clausius hat den ersten Hauptsatz der Wa¨rmetheorie dahin
zusammengefaßt, daß die Energie der Welt konstant bleibt, den zweiten
dahin, daß die Entropie der Welt einem Maximum zustrebt. Mit Recht
ist dagegen eingewendet worden, daß es keinen Sinn hat, schlechthin von
der Energie oder der Entropie der Welt zu sprechen, weil eine derartige
Gro¨ße gar nicht bestimmt zu definieren ist. Indessen fa¨llt es nicht schwer,
die Clausiusschen Sa¨tze so zu formulieren, daß sie sehr wohl einen Sinn
ergeben, und daß dasjenige, was an ihnen charakteristisch ist, und was
Clausius offenbar mit ihnen sagen wollte, deutlicher zum Ausdruck gelangt.
Die Energie jedes Ko¨rpersystems a¨ndert sich nach Maßgabe der
Wirkungen, welche von außen her auf das System ausgeu¨bt werden; nur
bei Ausschluß aller a¨ußeren Wirkungen bleibt sie konstant. Da nun streng
genommen ein System stets a¨ußeren Wirkungen unterliegt — denn eine
1Wenigstens wenn man bei der im §56 gegebenen Definition der Energie stehen
bleibt und nicht ad hoc neue Energiearten einfu¨hrt.
2In diesem Falle wu¨rde man also viel passender von einer Zerstreuung der Materie
als von einer Zerstreuung der Energie reden.
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253