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Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszusta¨nde 202
Art das thermodynamische Gleichgewicht ist, das auf beiden Seiten einer
Wand besteht fu¨r eine Gasart, welche die Wand durchdringen kann; fu¨r jede
andere Gasart besteht natu¨rlich keine besondere Gleichgewichtsbedingung,
da sich hierfu¨r die Wand wie eine gewo¨hnliche verha¨lt.
Hier liefert nun die Erfahrung den einfachen Satz, daß jede Gasart,
fu¨r welche eine Wand permeabel ist, sich dann auf beiden Seiten im
Gleichgewicht befindet, wenn ihr Partialdruck (§18) auf beiden Seiten gleich
ist, ganz unabha¨ngig von den u¨brigen auf beiden Seiten anwesenden Gasarten.
Dieser Satz ist weder selbstversta¨ndlich noch notwendig bedingt durch das
Vorhergehende, er leuchtet aber durch seine Einfachheit unmittelbar ein
und hat sich auch in den allerdings wenig zahlreichen Fa¨llen, die eine
direkte Pru¨fung gestatten, u¨berall besta¨tigt.
Eine solche Pru¨fung, die zu einer augenfa¨lligen Folgerung fu¨hrt, la¨ßt
sich z.B. folgendermaßen anstellen. Glu¨hendes Platinblech ist permeabel
fu¨r Wasserstoff, dagegen impermeabel fu¨r atmospha¨rische Luft. Fu¨llt man
also ein Gefa¨ß, dessen Wandung an einer Stelle aus Platinblech besteht, mit
reinem Wasserstoff, etwa unter Atmospha¨rendruck, und schließt es dann
vollkommen ab, so muß, wenn das Platinblech ins Glu¨hen gebracht wird,
der innen befindliche Wasserstoff in die a¨ußere Luft, also entgegen dem
Atmospha¨rendruck, hinausdiffundieren, und zwar offenbar so lange, bis er
vollsta¨ndig aus dem Gefa¨ß entwichen ist. Da nun andrerseits die Luft nicht
hineindringen kann, so wird schließlich das Gefa¨ß ga¨nzlich evakuiert sein.1
§ 236. Wir wollen nun die besprochene Eigenschaft der semipermeablen
Wa¨nde benutzen, um auf reversibelm Wege, in mo¨glichst einfacher Weise,
die Bestandteile eines Gasgemisches voneinander zu trennen. Betrachten
1Diese Folgerung habe ich im Winter 1882/83 im physikalischen Institut der Universita¨t
Mu¨nchen experimentell gepru¨ft und, soweit es die unvermeidlichen Abweichungen von
den idealen Voraussetzungen erwarten ließen, besta¨tigt gefunden. Da u¨ber diesen Versuch
bisher nichts vero¨ffentlicht wurde, so mag eine kurze Beschreibung hier Platz finden.
Ein gerades Glasrohr von etwa 5mm lichtem Durchmesser, in der Mitte zu einem kleinen
Ballon ausgebaucht, war am einen Ende mit einem Glashahn versehen; an das andere
Ende war als Verla¨ngerung mit Siegellack angekittet ein 10cm langes Platinro¨hrchen,
einerseits offen, andrerseits geschlossen. Mit der Quecksilberluftpumpe wurde die ganze
Ro¨hre durch den Hahn evakuiert und mit Wasserstoff unter gewo¨hnlichem Druck
gefu¨llt, hierauf der Hahn geschlossen und nun unter das geschlossene Ende des
horizontal gelegten Platinro¨hrchens ein Bunsenbrenner gestellt, wodurch die das Rohr
abschließende Platinkuppe ins Glu¨hen kam. Um das Siegellack nicht durch Erwa¨rmung
zum Erweichen zu bringen, wurde die Lackstelle besta¨ndig von dem Strahl der
Wasserleitung umspu¨lt. Nach etwa 4 Stunden wurde der Apparat abgenommen, auf
Zimmertemperatur gebracht, und der Hahn unter Quecksilber geo¨ffnet. Das Quecksilber
stieg rapid in die Ho¨he und fu¨llte die Ro¨hre fast ga¨nzlich aus, — ein Beweis, daß sie
bis zu einem gewissen Grade evakuiert war.
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253