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Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszusta¨nde 222
endlichen Wert, und es kann daher nach der Gleichung (218) keine der
Konzentrationen c genau gleich Null werden, solange Temperatur und
Druck endlich bleiben. Diese durch die Thermodynamik bedingte prinzipielle
Auffassung hat sich schon nach verschiedenen Seiten hin fruchtbar gezeigt,
wie z.B. in der Erkla¨rung der Tatsache, daß weder ein Gas, noch eine
Flu¨ssigkeit, noch auch ein fester Ko¨rper jemals vollsta¨ndig von den letzten
Spuren fremder gelo¨ster Stoffe befreit werden kann. Aus ihr folgt auch, daß
es keine im absoluten Sinne semipermeable Wand geben kann. Denn unter
allen Umsta¨nden wird sich mit der Zeit die Substanz der Wand mit jedem
der in einer angrenzenden Phase befindlichen Stoffe sa¨ttigen, und daher
auch jeden Stoff nach der anderen Seite wieder abgeben (vgl. §229).
Andrerseits wird durch die genannte Auffassung die Berechnung der
thermodynamischen Eigenschaften einer Lo¨sung betra¨chtlich kompliziert, da
man, um sicher zu gehen, von vornherein immer alle bei den gegebenen
Bestandteilen u¨berhaupt mo¨glichen Arten von Moleku¨len als in der Lo¨sung
wirklich vorhanden annehmen muß, und erst dann Vernachla¨ssigungen
eintreten lassen darf, wenn man sich durch eine besondere Untersuchung
u¨berzeugt hat, daß einzelne Moleku¨larten in ihr nicht in merklichem Maße
vorkommen. Auf diesen Punkt ist wahrscheinlich in manchen Fa¨llen eine
scheinbar auftretende Nichtu¨bereinstimmung der Theorie mit der Erfahrung
zuru¨ckzufu¨hren.
§ 259a. Alle vorhergehenden Sa¨tze beziehen sich natu¨rlich auf endliche
Werte von Temperatur und Druck. Wenn sich aber die Temperatur T dem
absoluten Nullpunkt na¨hert, so lehrt ein Blick auf die Gleichung (219),
daß, wofern nur die Wa¨rmeto¨nung r der in Betracht kommenden Reaktion
endlich bleibt, die Gro¨ße logK fu¨r unbegrenzt abnehmende Temperatur
positiv oder negativ unendlich wird, je nach der Richtung der durch die
Vorzeichen der Zahlen ν bezeichneten Reaktion, und daraus folgt, daß
beim absoluten Nullpunkt der Temperatur die Reaktion im einen oder
anderen Sinne bis zur vollsta¨ndigen Beendigung verla¨uft, so daß schließlich
die Konzentrationen der bei der Reaktion sich umbildenden Moleku¨larten
direkt gleich Null werden.
Dies Resultat stimmt u¨berein mit der allgemeinen Folgerung des §144,
daß bei tiefen Temperaturen die Reaktionen in der Richtung positiver
Wa¨rmeto¨nung vor sich gehen, es pra¨zisiert aber jene Folgerung noch
weiter, da wir es hier mit einer verdu¨nnten Lo¨sung zu tun haben, bei
der man aus dem Verhalten der Gesamtenergie im allgemeinen nicht
unmittelbar auf das der freien Energie schließen kann. Wir du¨rfen somit
ganz allgemein den Satz aussprechen: Bei unbegrenzt abnehmender
Temperatur verschwinden aus einer im thermodynamischen
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253