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Absoluter Wert der Entropie. Theorem von Nernst 255
seitherigen Erfahrungen gut besta¨tigt worden ist. Sein Inhalt la¨ßt sich dahin
formulieren, daß bei unbegrenzt abnehmender Temperatur die Entropie
eines jeden chemisch homogenen (§67) Ko¨rpers von endlicher Dichte sich
unbegrenzt einem bestimmten, vom Druck, vom Aggregatzustand und von
der speziellen chemischen Modifikation unabha¨ngigen Wert na¨hert.1
Die interessante Frage, welche Bedeutung dieser Satz fu¨r die molekular-
kinetische Auffassung der Entropie besitzt, kann hier nicht ero¨rtert werden,
da wir es hier nur mit der allgemeinen Thermodynamik zu tun haben.2 Aber
die wichtigen Folgerungen, welche er fu¨r die Gesetze physikalisch-chemischer
Gleichgewichtszusta¨nde entha¨lt, mu¨ssen hier Besprechung finden.
Zuna¨chst ist leicht einzusehen, daß man, da der Wert der Entropie eine
willku¨rliche additive Konstante entha¨lt, jenen fu¨r limT = 0 eintretenden
Wert unbeschadet der Allgemeinheit gleich Null setzen kann, so daß
das Nernstsche Wa¨rmetheorem nun lautet: Bei unbegrenzt abneh-
mender Temperatur na¨hert sich die Entropie eines jeden
chemisch homogenen Ko¨rpers von endlicher Dichte unbe-
grenzt dem Werte Null. Damit ist u¨ber die additive Konstante a der
Entropie aller chemisch homogener Substanzen in allen Zusta¨nden eindeutig
verfu¨gt, und man kann von nun an in diesem Sinne von einem absoluten
Wert der Entropie sprechen.
Dagegen bleibt nach §281 in dem Werte der Energie U und in dem
der freien Energie F eines Ko¨rpers noch eine additive Konstante b, und
in dem Werte der Funktion Φ noch ein additives Glied von der Form b
T
unbestimmt und willku¨rlich wa¨hlbar.
§ 283. Fu¨rdiespa¨terenAnwendungendesNernstschenWa¨rmetheorems
werden wir uns u¨ber die Wahl der unabha¨ngigen Variabeln fu¨r den Zustand
einer Substanz entscheiden mu¨ssen, und wollen hierfu¨r wiederum, wie in
unserer fru¨heren Darstellung, die Temperatur T und den Druck p nehmen,
weil diese Gro¨ßen erstens am bequemsten meßbar sind und zweitens den
d. preuß. Akad. d. Wiss. v. 20. Dezbr. 1906.
1Diese Fassung des Theorems ist inhaltlich etwas weitergehend als die von Nernst
a.a.O. selber gegebene, nach welcher fu¨r limT= 0 die Differenz der Entropien eines
solchen Ko¨rpers in zwei verschiedenen Modifikationen gleich Null ist. Letzterer Satz
la¨ßt na¨mlich noch die Mo¨glichkeit offen, daß die Entropie selber fu¨r limT= 0 negativ
unendlich wird. Praktisch wichtig wird dieser Unterschied u. a. bei der Frage nach
dem Wert der spezifischen Wa¨rme beim Nullpunkt der absoluten Temperatur. (§284.)
Allgemeineres bei P. Gruner, Verh. d. Deutschen Physik. Gesellschaft 14, S. 655,
S. 727, 1912.
2U¨ber die Beziehungen des Nernstschen Wa¨rmetheorems zur Quantentheorie vgl.
M. Planck, Vorlesungen u¨ber die Theorie der Wa¨rmestrahlung, 4. Aufl., §185 (Leipzig,
J. A. Barth).
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253