Page - 23 - in Also sprach Zarathustra
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Aue führt: so verträgt es sich mit dem gutem Schlafe.
Viel Ehren will ich nicht, noch grosse Schätze: das entzündet die Milz.
Aber schlecht schläft es sich ohne einen guten Namen und einen kleinen
Schatz.
Eine kleine Gesellschaft ist mir willkommener als eine böse: doch muss sie
gehn und kommen zur rechten Zeit. So verträgt es sich mit gutem Schlafe.
Sehr gefallen mir auch die Geistig-Armen: sie fördern den Schlaf. Selig
sind die, sonderlich, wenn man ihnen immer Recht giebt.
Also läuft der Tag dem Tugendsamen. Kommt nun die Nacht, so hüte ich
mich wohl, den Schlaf zu rufen! Nicht will er gerufen sein, der Schlaf, der der
Herr der Tugenden ist!
Sondern ich denke, was ich des Tages gethan und gedacht. Wiederkäuend
frage ich mich, geduldsam gleich einer Kuh: welches waren doch deine zehn
Überwindungen?
Und welches waren die zehn Versöhnungen und die zehn Wahrheiten und
die zehn Gelächter, mit denen sich mein Herz gütlich that?
Solcherlei erwägend und gewiegt von vierzig Gedanken, überfällt mich auf
einmal der Schlaf, der Ungerufne, der Herr der Tugenden.
Der Schlaf klopft mir auf meine Auge: da wird es schwer. Der Schlaf
berührt mir den Mund: da bleibt er offen.
Wahrlich, auf weichen Sohlen kommt er mir, der liebste der Diebe, und
stiehlt mir meine Gedanken: dumm stehe ich da wie dieser Lehrstuhl.
Aber nicht lange mehr stehe ich dann: da liege ich schon. –
Als Zarathustra den Weisen also sprechen hörte, lachte er bei sich im
Herzen: denn ihm war dabei ein Licht aufgegangen. Und also sprach er zu
seinem Herzen:
Ein Narr ist mir dieser Weise da mit seinen vierzig Gedanken: aber ich
glaube, dass er sich wohl auf das Schlafen versteht.
Glücklich schon, wer in der Nähe dieses Weisen wohnt! Solch ein Schlaf
steckt an, noch durch eine dicke Wand hindurch steckt er an.
Ein Zauber wohnt selbst in seinem Lehrstuhle. Und nicht vergebens sassen
die Jünglinge vor dem Prediger der Tugend.
Seine Weisheit heisst: wachen, um gut zu schlafen. Und wahrlich, hätte das
Leben keinen Sinn und müsste ich Unsinn wählen, so wäre auch mir diess der
wählenswürdigste Unsinn.
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352