Page - 47 - in Also sprach Zarathustra
Image of the Page - 47 -
Text of the Page - 47 -
Markt wird man mit Ja? oder Nein? überfallen.
Langsam ist das Erleben allen tiefen Brunnen: lange müssen sie warten, bis
sie wissen, was in ihre Tiefe fiel.
Abseits vom Markte und Ruhme begiebt sich alles Grosse: abseits vom
Markte und Ruhme wohnten von je die Erfinder neuer Werthe.
Fliehe, mein Freund, in deine Einsamkeit: ich sehe dich von giftigen
Fliegen zerstochen. Fliehe dorthin, wo rauhe, starke Luft weht!
Fliehe in deine Einsamkeit! Du lebtest den Kleinen und Erbärmlichen zu
nahe. Fliehe vor ihrer unsichtbaren Rache! Gegen dich sind sie Nichts als
Rache.
Hebe nicht mehr den Arm gegen sie! Unzählbar sind sie, und es ist nicht
dein Loos, Fliegenwedel zu sein.
Unzählbar sind diese Kleinen und Erbärmlichen; und manchem stolzen
Baue gereichten schon Regentropfen und Unkraut zum Untergange.
Du bist kein Stein, aber schon wurdest du hohl von vielen Tropfen.
Zerbrechen und zerbersten wirst du mir noch von vielen Tropfen.
Ermüdet sehe ich dich durch giftige Fliegen, blutig geritzt sehe ich dich an
hundert Stellen; und dein Stolz will nicht einmal zürnen.
Blut möchten sie von dir in aller Unschuld, Blut begehren ihre blutlosen
Seelen – und sie stechen daher in aller Unschuld.
Aber, du Tiefer, du leidest zu tief auch an kleinen Wunden; und ehe du dich
noch geheilt hast, kroch dir der gleiche Giftwurm über die Hand.
Zu stolz bist du mir dafür, diese Naschhaften zu tödten. Hüte dich aber,
dass es nicht dein Verhängniss werde, all ihr giftiges Unrecht zu tragen!
Sie summen um dich auch mit ihrem Lobe: Zudringlichkeit ist ihr Loben.
Sie wollen die Nähe deiner Haut und deines Blutes.
Sie schmeicheln dir wie einem Gotte oder Teufel; sie winseln vor dir wie
vor einem Gotte oder Teufel. Was macht es ! Schmeichler sind es und Winsler
und nicht mehr.
Auch geben sie sich dir oft als Liebenswürdige. Aber das war immer die
Klugheit der Feigen. Ja, die Feigen sind klug!
Sie denken viel über dich mit ihrer engen Seele, – bedenklich bist du ihnen
stets! Alles, was viel bedacht wird, wird bedenklich.
Sie bestrafen dich für alle deine Tugenden. Sie verzeihen dir von Grund aus
nur – deine Fehlgriffe.
back to the
book Also sprach Zarathustra"
Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352