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Wahrlich, die Menschen gaben sich alles ihr Gutes und Böses. Wahrlich,
sie nahmen es nicht, sie fanden es nicht, nicht fiel es ihnen als Stimme vom
Himmel.
Werthe legte erst der Mensch in die Dinge, sich zu erhalten, – er schuf erst
den Dingen Sinn, einen Menschen-Sinn! Darum nennt er sich »Mensch«, das
ist: der Schätzende.
Schätzen ist Schaffen: hört es, ihr Schaffenden! Schätzen selber ist aller
geschätzten Dinge Schatz und Kleinod.
Durch das Schätzen erst giebt es Werth: und ohne das Schätzen wäre die
Nuss des Daseins hohl. Hört es, ihr Schaffenden!
Wandel der Werthe, – das ist Wandel der Schaffenden. Immer vernichtet,
wer ein Schöpfer sein muss.
Schaffende waren erst Völker und spät erst Einzelne; wahrlich, der
Einzelne selber ist noch die jüngste Schöpfung.
Völker hängten sich einst eine Tafel des Guten über sich. Liebe, die
herrschen will, und Liebe, die gehorchen will, erschufen sich zusammen
solche Tafeln.
Ă„lter ist an der Heerde die Lust, als die Lust am Ich: und so lange das gute
Gewissen Heerde heisst, sagt nur das schlechte Gewissen: Ich.
Wahrlich, das schlaue Ich, das lieblose, das seinen Nutzen im Nutzen Vieler
will: das ist nicht der Heerde Ursprung, sondern ihr Untergang.
Liebende waren es stets und Schaffende, die schufen Gut und Böse. Feuer
der Liebe glĂĽht in aller Tugenden Namen und Feuer des Zorns.
Viele Länder sah Zarathustra und viele Völker: keine grössere Macht fand
Zarathustra auf Erden, als die Werke der Liebenden: »gut« und »böse« ist ihr
Name.
Wahrlich, ein UngethĂĽm ist die Macht dieses Lobens und Tadelns. Sagt,
wer bezwingt es mir, ihr BrĂĽder? Sagt, wer wirft diesem Thier die Fessel ĂĽber
die tausend Nacken?
Tausend Ziele gab es bisher, denn tausend Völker gab es. Nur die Fessel
der tausend Nacken fehlt noch, es fehlt das Eine Ziel. Noch hat die
Menschheit kein Ziel.
Aber sagt mir doch, meine BrĂĽder: wenn der Menschheit das Ziel noch
fehlt, fehlt da nicht auch – sie selber noch? –
Also sprach Zarathustra.
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den LehrstĂĽhlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glĂĽckseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berĂĽhmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom VorĂĽbergehen 170
- Von den AbtrĂĽnnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der groĂźen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- AuĂźer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die BegrĂĽĂźung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352