Page - 136 - in Also sprach Zarathustra
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Gefangener.
Wollen befreit: aber wie heisst Das, was auch den Befreier noch in Ketten
schlägt?
»Es war«: also heisst des Willens Zähneknirschen und einsamste Trübsal.
Ohnmächtig gegen Das, was gethan ist – ist er allem Vergangenen ein böser
Zuschauer.
Nicht zurĂĽck kann der Wille wollen; dass er die Zeit nicht brechen kann
und der Zeit Begierde, – das ist des Willens einsamste Trübsal.
Wollen befreit: was ersinnt sich das Wollen selber, dass es los seiner
TrĂĽbsal werde und seines Kerkers spotte?
Ach, ein Narr wird jeder Gefangene! Närrisch erlöst sich auch der
gefangene Wille.
Dass die Zeit nicht zurückläuft, das ist sein Ingrimm; »Das, was war« – so
heisst der Stein, den er nicht wälzen kann.
Und so wälzt er Steine aus Ingrimm und Unmuth und übt Rache an dem,
was nicht gleich ihm Grimm und Unmuth fĂĽhlt.
Also wurde der Wille, der Befreier, ein Wehethäter: und an Allem, was
leiden kann, nimmt er Rache dafĂĽr, dass er nicht zurĂĽck kann.
Diess, ja diess allein ist Rache selber: des Willens Widerwille gegen die
Zeit und ihr »Es war.«
Wahrlich, eine grosse Narrheit wohnt in unserm Willen; und zum Fluche
wurde es allem Menschlichen, dass diese Narrheit Geist lernte!
Der Geist der Rache: meine Freunde, das war bisher der Menschen bestes
Nachdenken; und wo Leid war, da sollte immer Strafe sein.
»Strafe« nämlich, so heisst sich die Rache selber: mit einem Lügenwort
heuchelt sie sich ein gutes Gewissen.
Und weil im Wollenden selber Leid ist, darob dass es nicht zurĂĽck wollen
kann, – also sollte Wollen selber und alles Leben – Strafe sein!
Und nun wälzte sich Wolke auf Wolke über den Geist: bis endlich der
Wahnsinn predigte: »Alles vergeht, darum ist Alles werth zu vergehn!«
»Und diess ist selber Gerechtigkeit, jenes Gesetz der Zeit, dass sie ihre
Kinder fressen muss«: also predigte der Wahnsinn.
»Sittlich sind die Dinge geordnet nach Recht und Strafe. Oh wo ist die
Erlösung vom Fluss der Dinge und der Strafe Dasein«? Also predigte der
Wahnsinn.
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den LehrstĂĽhlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glĂĽckseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berĂĽhmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom VorĂĽbergehen 170
- Von den AbtrĂĽnnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der groĂźen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- AuĂźer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die BegrĂĽĂźung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352