Page - 143 - in Also sprach Zarathustra
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Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: »Was liegt an dir? Du bist mir
noch nicht demüthig genug. Die Demuth hat das härteste Fell.« –
Und ich antwortete: »Was trug nicht schon das Fell meiner Demuth! Am
Fusse wohne ich meiner Höhe: wie hoch meine Gipfel sind? Niemand sagte
es mir noch. Aber gut kenne ich meine Thäler.«
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: »Oh Zarathustra, wer Berge zu
versetzen hat, der versetzt auch Thäler und Niederungen.« –
Und ich antwortete: »Noch versetzte mein Wort keine Berge, und was ich
redete, erreichte die Menschen nicht. Ich gieng wohl zu den Menschen, aber
noch langte ich nicht bei ihnen an.«
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: »Was weisst du davon! Der Thau
fällt auf das Gras, wenn die Nacht am verschwiegensten ist.« –
Und ich antwortete: »sie verspotteten mich, als ich meinen eigenen Weg
fand und gieng; und in Wahrheit zitterten damals meine FĂĽsse.
Und so sprachen sie zu mir: du verlerntest den Weg, nun verlernst du auch
das Gehen!«
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: »Was liegt an ihrem Spotte! Du
bist Einer, der das Gehorchen verlernt hat: nun sollst du befehlen!
Weisst du nicht, wer Allen am nöthigsten thut? Der Grosses befiehlt.
Grosses vollfĂĽhren ist schwer: aber das Schwerere ist, Grosses befehlen.
Das ist dein Unverzeihlichstes: du hast die Macht, und du willst nicht
herrschen.« –
Und ich antwortete: »Mir fehlt des Löwen Stimme zu allem Befehlen.«
Da sprach es wieder wie ein Flüstern zu mir: »Die stillsten Worte sind es,
welche den Sturm bringen. Gedanken, die mit TaubenfĂĽssen kommen, lenken
die Welt.
Oh Zarathustra, du sollst gehen als ein Schatten dessen, was kommen muss:
so wirst du befehlen und befehlend vorangehen.« –
Und ich antwortete: »Ich schäme mich.«
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: »Du musst noch Kind werden
und ohne Scham.
Der Stolz der Jugend ist noch auf dir, spät bist du jung geworden: aber wer
zum Kinde werden will, muss auch noch seine Jugend überwinden.« –
Und ich besann mich lange und zitterte. Endlich aber sagte ich, was ich
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den LehrstĂĽhlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glĂĽckseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berĂĽhmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom VorĂĽbergehen 170
- Von den AbtrĂĽnnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der groĂźen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- AuĂźer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die BegrĂĽĂźung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352