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Diesen Mittlern und Mischern sind wir gram, den ziehenden Wolken:
diesen Halb- und Halben, welche weder segnen lernten, noch von Grund aus
fluchen.
Lieber will ich noch unter verschlossnem Himmel in der Tonne sitzen,
lieber ohne Himmel im Abgrund sitzen, als dich, Licht-Himmel, mit Zieh-
Wolken befleckt sehn!
Und oft gelüstete mich, sie mit zackichten Blitz-Golddrähten festzuheften,
dass ich, gleich dem Donner, auf ihrem Kessel-Bauche die Pauke schlüge: –
– ein zorniger Paukenschläger, weil sie mir dein Ja! und Amen! rauben, du
Himmel über mir, du Reiner! Lichter! Du Licht-Abgrund! – weil sie
dir mein Ja! und Amen! rauben.
Denn lieber noch will ich Lärm und Donner und Wetter-Flüche, als diese
bedächtige zweifelnde Katzen-Ruhe; und auch unter Menschen hasse ich am
besten alle Leisetreter und Halb- und Halben und zweifelnde, zögernde Zieh-
Wolken.
Und »wer nicht segnen kann, der soll fluchen lernen!« – diese helle Lehre
fiel mir aus hellem Himmel, dieser Stern steht auch noch in schwarzen
Nächten an meinem Himmel.
Ich aber bin ein Segnender und ein Ja-sager, wenn du nur um mich bist, du
Reiner! Lichter! Du Licht-Abgrund! – in alle Abgründe trage ich da noch
mein segnendes Ja-sagen.
Zum Segnenden bin ich worden und zum Ja-sagenden: und dazu rang ich
lange und war ein Ringer, dass ich einst die Hände frei bekäme zum Segnen.
Das aber ist mein Segnen: ĂĽber jedwedem Ding als sein eigener Himmel
stehn, als sein rundes Dach, seine azurne Glocke und ewige Sicherheit: und
selig ist, wer also segnet!
Denn alle Dinge sind getauft am Borne der Ewigkeit und jenseits von Gut
und Böse; Gut und Böse selber aber sind nur Zwischenschatten und feuchte
TrĂĽbsale und Zieh-Wolken.
Wahrlich, ein Segnen ist es und kein Lästern, wenn ich lehre: »über allen
Dingen steht der Himmel Zufall, der Himmel Unschuld, der Himmel
Ohngefähr, der Himmel Übermuth.«
»Von Ohngefähr« – das ist der älteste Adel der Welt, den gab ich allen
Dingen zurück, ich erlöste sie von der Knechtschaft unter dem Zwecke.
Diese Freiheit und Himmels-Heiterkeit stellte ich gleich azurner Glocke
über alle Dinge, als ich lehrte, dass über ihnen und durch sie kein »ewiger
Wille« – will.
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den LehrstĂĽhlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glĂĽckseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berĂĽhmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom VorĂĽbergehen 170
- Von den AbtrĂĽnnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der groĂźen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- AuĂźer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die BegrĂĽĂźung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352