Page - 257 - in Also sprach Zarathustra
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Wohlan! Dort hinauf geht der Weg zu Zarathustras Höhle: die ist nicht fern,
– willst du nicht bei mir deiner Wunden warten?
Es ging dir schlimm, du Unseliger, in diesem Leben: erst biß dich das Tier,
und dann – trat dich der Mensch!« –
Als aber der Getretene den Namen Zarathustras hörte, verwandelte er sich.
»Was geschieht mir doch!« rief er aus, »wer kümmert mich denn noch in
diesem Leben, als dieser eine Mensch, nämlich Zarathustra, und jenes eine
Tier, das vom Blute lebt, der Blutegel?
Des Blutegels halber lag ich hier an diesem Sumpfe wie ein Fischer, und
schon war mein ausgehängter Arm zehnmal angebissen, da beißt noch ein
schönerer Igel nach meinem Blute, Zarathustra selber!
O Glück! O Wunder! Gelobt sei dieser Tag, der mich in diesen Sumpf
lockte! Gelobt sei der beste lebendigste Schröpfkopf, der heut lebt, gelobt sei
der große Gewissens-Blutegel Zarathustra!« –
Also sprach der Getretene; und Zarathustra freute sich über seine Worte
und ihre feine ehrfürchtige Art. »Wer bist du?« fragte er und reichte ihm die
Hand, »zwischen uns bleibt viel aufzuklären und aufzuheitern: aber schon,
dünkt mich, wird es reiner heller Tag.«
»Ich bin der Gewissenhafte des Geistes«, antwortete der Gefragte, »und in
Dingen des Geistes nimmt es nicht leicht einer strenger, enger und härter als
ich, ausgenommen der, von dem ich’s lernte, Zarathustra selber.
Lieber nichts wissen, als vieles halb wissen! Lieber ein Narr sein auf eigne
Faust, als ein Weiser nach fremdem Gutdünken! Ich – gehe auf den Grund:
– was liegt daran, ob er groß oder klein ist? Ob er Sumpf oder Himmel
heißt? Eine Handbreit Grund ist mir genug: wenn er nur wirklich Grund und
Boden ist!
– eine Handbreit Grund: darauf kann man stehn. In der rechten Wissen-
Gewissenschaft gibt es nichts Großes und nichts Kleines.«
»So bist du vielleicht der Erkenner des Blutegels?« fragte Zarathustra;
»und du gehst dem Blutegel nach bis auf die letzten Gründe, du
Gewissenhafter?«
»O Zarathustra«, antwortete der Getretene, »das wäre ein Ungeheures, wie
dürfte ich mich dessen unterfangen!
Wes ich aber Meister und Kenner bin, das ist des Blutegels Hirn: – das
ist meine Welt!
Und es ist auch eine Welt! Vergib aber, daß hier mein Stolz zu Worte
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352