Page - 288 - in Also sprach Zarathustra
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schweigend, hart, allein, besten biegsamsten Holzes, herrlich, –
– zuletzt aber hinausgreifend mit starken grünen Ästen
nach seiner Herrschaft, starke Fragen fragend vor Winden und Wettern und
was immer auf Höhen heimisch ist,
– stärker antwortend, ein Befehlender, ein Siegreicher: o wer sollte nicht,
solche Gewächse zu schaun, auf hohe Berge steigen?
Deines Baumes hier, oh Zarathustra, erlabt sich auch der Düstere, der
Mißratene, an deinem Anblicke wird auch der Unstete sicher und heilt sein
Herz.
Und wahrlich, zu deinem Berge und Baume richten sich heute viele Augen;
eine große Sehnsucht hat sich aufgemacht, und manche lernten fragen: wer ist
Zarathustra?
Und wem du jemals dein Lied und deinen Honig ins Ohr geträufelt: alle die
Versteckten, die Einsiedler, die Zweisiedler sprachen mit einem Male zu
ihrem Herzen:
›Lebt Zarathustra noch? Es lohnt sich nicht mehr zu leben, alles ist gleich,
alles ist umsonst: oder – wir müssen mit Zarathustra leben!‹
›Warum kommt er nicht, der sich so lange ankündigte?‹ also fragen viele;
›verschlang ihn die Einsamkeit? Oder sollen wir wohl zu ihm kommen?‹
Nun geschieht’s, daß die Einsamkeit selber mürbe wird und zerbricht,
einem Grabe gleich, das zerbricht und seine Toten nicht mehr halten kann.
Überall sieht man Auferstandene.
Nun steigen und steigen die Wellen um deinen Berg, o Zarathustra. Und
wie hoch auch deine Höhe ist, viele müssen zu dir hinauf; dein Nachen soll
nicht lange mehr im Trocknen sitzen.
Und daß wir Verzweifelnde jetzt in deine Höhle kamen und schon nicht
mehr verzweifeln: ein Wahr-und Vorzeichen ist es nur, davon, daß Bessere zu
dir unterwegs sind, –
– denn er selber ist zu dir unterwegs, der letzte Rest Gottes unter
Menschen, das ist: alle die Menschen der großen Sehnsucht, des großen
Ekels, des großen Überdrusses,
– alle, die nicht leben wollen, oder sie lernen wieder hoffen – oder sie
lernen von dir, oh Zarathustra, die große Hoffnung!«
Also sprach der König zur Rechten und ergriff die Hand Zarathustras, um
sie zu küssen; aber Zarathustra wehrte seiner Verehrung und trat erschreckt
zurück, schweigend und plötzlich wie in weite Fernen entfliehend. Nach einer
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352