Page - 289 - in Also sprach Zarathustra
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kleinen Weile aber war er schon wieder bei seinen Gästen, blickte sie mit
hellen, prüfenden Augen an und sprach:
»Meine Gäste, ihr höheren Menschen, ich will deutsch und deutlich mit
euch reden. Nicht auf euch wartete ich hier in diesen Bergen.«
(»Deutsch und deutlich? Daß Gott erbarm!« sagte hier der König zur
Linken, beiseite; »man merkt, er kennt die lieben Deutschen nicht, dieser
Weise aus dem Morgenlande!
Aber er meint ›deutsch und derb‹ – wohlan! Das ist heutzutage noch nicht
der schlimmste Geschmack!«)
»Ihr mögt wahrlich insgesamt höhere Menschen sein«, fuhr Zarathustra
fort, »aber für mich – seid ihr nicht hoch und stark genug.
Für mich, das heißt: für das Unerbittliche, das in mir schweigt, aber nicht
immer schweigen wird. Und gehört ihr zu mir, so doch nicht als mein rechter
Arm.
Wer nämlich selber auf kranken und zarten Beinen steht, gleich euch, der
will vor allem, ob er’s weiß oder sich verbirgt: daß er geschont werde.
Meine Arme und meine Beine aber schone ich nicht, ich schone meine
Krieger nicht: wieso könntet ihr zu meinem Kriege taugen?
Mit euch verdürbe ich mir jeden Sieg noch. Und mancher von euch fiele
schon um, wenn er nur den lauten Schall meiner Trommeln hörte.
Auch seid ihr mir nicht schön genug und wohlgeboren. Ich brauche reine
glatte Spiegel für meine Lehren; auf eurer Oberfläche verzerrt sich noch mein
eignes Bildnis.
Eure Schultern drückt manche Last, manche Erinnerung; manch schlimmer
Zwerg hockt in euren Winkeln. Es gibt verborgenen Pöbel auch in euch.
Und seid ihr auch hoch und höherer Art: vieles an euch ist krumm und
mißgestalt. Da ist kein Schmied in der Welt, der euch mir zurecht und gerade
schlüge.
Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch hinüberschreiten! Ihr
bedeutet Stufen: so zürnt dem nicht, der über euch hinweg in seine Höhe
steigt!
Aus eurem Samen mag auch mir einst ein echter Sohn und vollkommener
Erbe wachsen: aber das ist ferne. Ihr selber seid die nicht, welchen mein
Erbgut und Name zugehört.
Nicht auf euch warte ich hier in diesen Bergen, nicht mit euch darf ich zum
letzten Male niedersteigen. Als Vorzeichen kamt ihr mir nur, daß schon
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352