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Plötzlich aber erschrak das Ohr Zarathustras: die Höhle nämlich, welche
bisher voller Lärmens und Gelächters war, wurde mit einem Male totenstill; –
seine Nase aber roch einen wohlriechenden Qualm und Weihrauch, wie von
brennenden Pinien-Zapfen.
»Was geschieht? Was treiben sie?« fragte er sich und schlich zum Eingange
heran, daß er seinen Gästen, unvermerkt, zusehen könne. Aber, Wunder über
Wunder! was mußte er da mit seinen eignen Augen sehn!
»Sie sind alle wieder fromm geworden, sie beten, sie sind toll!« – sprach er
und verwunderte sich über die Maßen. Und, fürwahr! alle diese höheren
Menschen, die zwei Könige, der Papst außer Dienst, der schlimme Zauberer,
der freiwillige Bettler, der Wanderer und Schatten, der alte Wahrsager, der
Gewissenhafte des Geistes und der häßlichste Mensch: sie lagen alle gleich
Kindern und gläubigen alten Weibchen auf den Knien und beteten den Esel
an. Und eben begann der häßlichste Mensch zu gurgeln und zu schnauben,
wie als ob etwas Unaussprechliches aus ihm herauswolle; als er es aber
wirklich bis zu Worten gebracht hatte, siehe, da war es eine fromme seltsame
Litanei zur Lobpreisung des angebeteten und angeräucherten Esels. Diese
Litanei aber klang also:
Amen! Und Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Stärke sei
unserm Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit!
– Der Esel aber schrie dazu I-A.
Er trägt unsre Last, er nahm Knechtsgestalt an, er ist geduldsam von
Herzen und redet niemals nein; und wer seinen Gott liebt, der züchtigt ihn.
– Der Esel aber schrie dazu I-A.
Er redet nicht: es sei denn, daß er zur Welt, die er schuf, immer ja sagt: also
preist er seine Welt. Seine Schlauheit ist es, die nicht redet: so bekömmt er
selten Unrecht.
– Der Esel aber schrie dazu I-A.
Unscheinbar geht er durch die Welt. Grau ist die Leib-Farbe, in welche er
seine Tugend hüllt. Hat er Geist, so verbirgt er ihn; jedermann aber glaubt an
seine langen Ohren.
– Der Esel aber schrie dazu I-A.
Welche verborgene Weisheit ist das, daß er lange Ohren trägt und allein ja
und nimmer nein sagt! Hat er nicht die Welt erschaffen nach seinem Bilde,
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352