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Zipper und sein Vater
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13 Kapitel In der nächsten Saison gelang es Erna, eine kleine Anstellung an einem kleinen Theater in Breslau zu bekommen. Sie wußte genau, daß es nicht der Weg zum Ruhm war, sondern der Kampf gegen die Gefahr, den Willen zu verlieren. Sie wußte, daß sie Feindschaft, Neid, Bosheit, Entmunterung erwarteten und niemals ein Trost, niemals ein Wort, das ihr den Glauben wiedergeben würde, niemals eine Anerkennung, niemals die Liebe eines Mannes ohne Eigennutz. Deshalb willigte sie ein, daß Zipper sie begleite. Er, im ersten Jubel, fragte sie, ob sie seine Frau werden wolle. Sie wollte. Es war mir damals nicht verständlich. Er wäre ihr bis ans Ende der Welt gefolgt, ohne ihre Liebe dafür zu verlangen. Es war mir unverständlich, daß eine Frau wie sie etwas kaufte, was sie umsonst hätte haben können. Später erkannte ich, daß sie für seine Treue, seine Arbeit, sein Leben und vielleicht sein Glück – denn er hätte auch glücklich werden können – ihm nicht so viel gab, wie er nahm. Denn seit Jahrhunderten leben die Männer in dem Wahn – und Dichter und Romanschriftsteller nähren ihn –, daß eine Frau immer das Höchste gebe, wenn sie sich gibt. Daher die fassungslose Haltung eines Mannes von Wert, wenn er entdeckt, daß seine Frau ihn mit einem Wertlosen betrogen hat. Daher die übertrieben schauderhafte Vorstellung, die man von dem Verlauf einer Hochzeitsnacht ohne Liebe hegt. Daher die Leichtigkeit einer »Verführung«. Daher der übertriebene Respekt vor den Casanovas. Erna schätzte ihren Körper gering – wie viele Frauen. Sie schlief mit einem Mann, der ihr gleichgültig war, weil ihr dieLiebe gleichgültig war. Es schien ihr besser, das erste Engagement als eine jung verheiratete Frau anzutreten. Es war zumindest originell. Es bedeutete etwas, wenn ein Mann ihr folgte, wenn Eifersucht sie umgab und sie doppelt begehrenswert machte. Sie hatte gar keine Illusionen. Sie hatte nur Verstand. Arnold heiratete, und obwohl es eine Trauung vor dem Standesamt war und ihr keine Feier folgte; trug Frau Zipper doch nach vielen Jahren zum erstenmal wieder ihr schwarzes Flitterkleid. Ob sie die abgefallenen Flitter wieder in die roten Gläser schüttete? Ob das blaue Tintenfaß noch da war? Ob überhaupt die Kommode noch dort stand? – Das waren, ich erinnere mich, die Fragen, die mich bei Arnolds Trauung beschäftigten. Still und mit einer Feierlichkeit, die der Einfachheit der Zeremonie nicht entsprach, stand der 68
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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