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Kapitel
Arnold Zipper sang den Ruhm seiner Frau. Er war schließlich durch allerlei
Verbindungen, durch ein Zusammenspiel von Zufällen, das bereits wie ein
Schicksal aussah, Filmredakteur an einer Mittagszeitung geworden.
Es schien mir, daß er endlich den Beruf gefunden hatte, der ihm paßte. Er
besaß gerade jene konziliante Art, in der allein man etwas kritisieren kann, an
dem man finanziell beteiligt ist. An der Stelle, an der er sich befand, galt es,
eine Unparteilichkeit so geschickt vorzutäuschen, daß die Empfindlichkeit der
Inserenten nicht getroffen wurde. Schlechte Filme durfte man nicht loben,
aber man mußte an ihnen immerhin so viel Interessantes finden, daß das
Publikum nicht wenigstens sofort darauf verzichtete, sie zu sehen. Es war
schwer, sich in dem dunklen und unübersichtlichen Gewirr auszukennen, das
die Zeitungs- und die Filmindustrie zueinander gesponnen hatten.
Es gab wichtige Nachrichten, die man zurücklegen mußte, um abzuwarten,
ob und wann derjenige, von dem man die Nachricht bekam, sie auch bezahlen
würde. Es gab andere, unwichtige, die keinen Leser etwas angingen und die
man brachte, weil sie aus einer Quelle stammten, die jedes halbe Jahr
regelmäßig Geld spendete. Es gab Nachrichten von feindlichen Seiten, die
man sofort in den Papierkorb warf. Es gab verstohlene Nachrichten von
Gegnern, die sich auf eine verzweifelt listige und außerordentlich
geheimnisvolle Weise einzuschmuggeln versuchten und die man schnell
entlarven und unerbittlich zurückweisen mußte. Es gab Zeitschriften, aus
denen man Nachrichten und Artikel »schneiden« durfte, und andere, die auf
dem Index des Verlegers standen. Es gab Interviews mit Finanzleuten aus der
Filmwelt, die man just zu einer bestimmten Stunde bringen mußte, an einem
ganz bestimmten Tag, an dem die internationale »Konstellation« einem
Interview hold war. Es gab Fusionen, von denen man schon wußte, zwei
Wochen ehe sie noch zustande gekommen waren, und die der Welt
mitzuteilen Arnold begierig war. Aber nein! Der Verleger befahl Geduld
selbst auf die Gefahr hin, daß ein Konkurrenzblatt die Nachricht früher
brächte. Manchmal mußte man die Konkurrenz fürchten und ein anderes Mal
die traurigen Konsequenzen eines Berichts.
Immer aber fürchtete Arnold den Verleger.
Immer fürchtete Arnold den Verleger. Was er tat, schien ihm so wichtig,
seinen Beruf nahm er so ernst, daß er um keinen Preis seine Stellung verlieren
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Zipper und sein Vater
- Title
- Zipper und sein Vater
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1928
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 112
- Keywords
- Roman, Geschichte, Österreich, Wien
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 8
- Kapitel 3 13
- Kapitel 4 18
- Kapitel 5 22
- Kapitel 6 25
- Kapitel 7 28
- Kapitel 8 36
- Kapitel 9 42
- Kapitel 10 45
- Kapitel 11 54
- Kapitel 12 62
- Kapitel 13 68
- Kapitel 14 74
- Kapitel 15 77
- Kapitel 16 83
- Kapitel 17 88
- Kapitel 18 94
- Kapitel 19 97
- Kapitel 20 101
- Kapitel 21 104
- Brief des Autors an Arnold Zipper 110