Seite - 245 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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gibt es denn keinen fortdauernden Genuß? Eben weil ein
fortdauernder, ein ununterbrochner Genuß nicht mehr Emp-
findung und Genuß wäre, der Genuß nur Genuß ist, weil
er vergeht. Gleichheit, Gleichmäßigkeit, Ununterbrochen-
heit, Identität ist die wesentliche Form des Allgemeinen,
des Denkens, aber nicht des Gefühls;1 nur2 wo Absätze,
Zeitabschnitte, gleichsam3 Epochen sind,4 ist Empfindung,
in dem Sichselbstgleichen verschwindet sie. Um eine Sache
zu erkennen, muß man da sie auffassen, wo sie am be-
stimmtesten, entschiedensten, charaktervollsten in die Exi-
stenz tritt; was daher die Empfindung sei, kannst du nur
da erkennen, wo sie selbst ihren Charakter ausspricht; der
Charakter der Empfindung aber ist offenbar in der sinn-
lichen Lust und Genuß. Das Individuum ist nur Fürsichsein,
es ist ganz Trennung, Schranke, Unterschied, ein negatives
Sein, oder das Individuum ist als ausschließendes Fürsich-
sein die Negation des andern, des von ihm Unterschiednen,
die Empfindung ist daher, als Lust, Genuß, nur Vergehen
des Objekts, mit dem Objekt erlischt er selbst, wie das
Feuer mit dem Stoffe, und er ist selbst darum nur als
vergehender. Das Individuum aber empfindet in der Zeit;
in der Zeit vergeht das einzelne, sie ist die Negativi-
tät des einzelnen; das Individuum, das einzelne ist nur
die Negation des einzelnen, der einzelnen Objekte seiner
Empfindung, in der allgemeinen Negativität alles einzelnen,
in der Zeit; der Grund, das Prinzip aller Empfindungen,
die Möglichkeit des Empfindens ist daher die Zeit. Außer
der Zeit ist keine Empfindung; nur ein Objekt, dasinder
Zeit ist, kann in dem Subjekt und für es vergehen, und es
kann nur in dir, in der Empfindung vergehen, weil es in der
Zeit vergeht. Eins mit deiner Empfindsamkeit ist Zeit
und Zeitlichkeit; die Zeit ist gewissermaßen ein Empfin¬
dungsvermögen selbst. Wo keine Zeit, da ist kein Indivi-
duum, wo kein Individuum, keine Empfindung, und um-
gekehrt.5 Wenn du daher in dem dunkelblauen Jenseits,
1 Gleichheit . . . Gefühls; Fehlt in B.
2 Nur B
3 Fehlt in B.
4 In B folgt Zusatz: da
5 Um eine Sache zu erkennen . . . und umgekehrt.: Wo also
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften